Eine flächendeckende Kreditklemme der deutschen Wirtschaft als Folge der Finanzkrise ist eher unwahrscheinlich, glaubt die Mehrheit der Unternehmen. Sie – aber auch die meisten Banken – gehen davon aus, dass Kredite in ausreichender Menge zur Verfügung stehen werden. Die Mehrheit glaubt aber auch, dass Kredite teurer und der Zugang zu frischem Geld schwieriger werden wird. Dabei sind die Unternehmen etwas pessimistischer als die Banken. Das ergaben Umfragen zur Ernst & Young-Studie Wer finanziert den Aufschwung?. Befragt wurden Führungskräften von 120 Banken und 550 Unternehmen aus allen wesentlichen Branchen.70 % der Banken und 57 % der Unternehmen sind davon überzeugt, dass es in den nächsten zwölf Monaten nicht zu einer Kreditklemme kommen wird. Von einer flächendeckenden Unterversorgung gehen sogar nur 4 % der Banken und 18 % der Unternehmen aus. Rund ein Viertel der Befragten in beiden Gruppen rechnet allenfalls mit Engpässen in einzelnen Branchen. Am stärksten gefährdet erscheint den Banken das Baugewerbe, den Unternehmen die Automobilindustrie.
Ob die Banken der Kreditnachfrage des kommenden Aufschwungs wirklich gewachsen sind, bezweifelt Joachim Spill, bei Ernst & Young verantwortlich für den Bereich Transaktionsberatung, allerdings mit gutem Grund: Etwa 60 % der befragten Banken glauben, dass die Nachfrage nach Unternehmenskrediten in den nächsten zwölf Monaten steigen wird; aber nur 40 % von ihnen wollen die Neukreditvergabe in dieser Zeit erhöhen. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass die Banken ihre Kredite zunehmend an andere Finanzdienstleister, vergeben.
Dabei ist jetzt schon klar zu erkennen, dass die Kreditnachfrage der Realwirtschaft wachsen wird. Jedes dritte Unternehmen will seine Investitionen bereits in den nächsten zwölf Monaten erhöhen, gut jedes zweite das Investitionsniveau beibehalten. Bei den Unternehmen wie bei den Banken erwarten klare Mehrheiten einen Aufschwung innerhalb der nächsten 18 Monate. Dann gilt es nicht nur, die Investitionen zu finanzieren, sondern auch den Vorlauf der später wieder steigenden Umsätze.
Dabei könnten die Banken auf Schwierigkeiten stoßen, denn die Mehrheit von ihnen sieht in den kommenden zwölf Monaten keine Verbesserung ihrer schon jetzt problematischen Refinanzierungsmöglichkeiten. Speziell die Situation am Markt der Unternehmensverbriefungen ist wenig ermutigend, warnt Ernst & Young-Expertin Ana-Cristina Grohnert. „Der gute Wille der Banken, die Kreditvergabe auszuweiten, nützt wenig, solange die Eigenkapitalbasis möglicherweise nicht ausreicht.“.
Zunächst stellen sich zwei Drittel der Unternehmen darauf ein, dass es schwieriger wird, die laufenden Kreditlinien und –verträge nach Ablauf zu verlängern. Umgekehrt sind 62 % der Banken der Meinung, dass sich an ihrer Bereitschaft, Kredite zu verlängern, nichts ändern wird beziehungsweise dass Prolongationen sogar leichter zu erhalten sein werden.
Gleichwohl verschließen die Befragten die Augen nicht davor, dass es zu Schwierigkeiten im Kreditmarkt kommen könnte. Probleme mit der Prolongation von Krediten und Kreditlinien, verschärfte Konditionen und strengere Vergabekriterien sind Entwicklungen, mit denen Banken wie Unternehmen rechnen. Sie sind Symptome einer realen Verknappung. Angesichts der absehbaren Knappheit liegt die Suche nach Alternativen auf der Hand. Abgesehen von einem Boom bei Unternehmensanleihen und Schuldscheinen sind die Unternehmen jedoch bei der alternativen Finanzierung eher konservativ gestimmt.
Die Studie Wer finanziert den Aufschwung? steht als kostenloser Download online zur Verfügung.
(Ernst & Young/ml)