Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft eine Satzungsregelung beschließen kann, die den Versammlungsleiter umfassend ermächtigt, das Rede- und Fragerecht der Aktionäre in der Hauptversammlung zeitlich angemessen zu beschränken. Im konkreten Fall verklagte ein Aktionär eine Aktiengesellschaft, deren Hauptversammlung einen entsprechenden Punkt in die Satzung aufgenommen hatte.Dem Versammlungsleiter wurde in dieser Satzung die Möglichkeit eingeräumt, die Gesamtdauer der Hauptversammlung, die Rede- und Fragezeit jedes einzelnen Aktionärs und das Ende der Debatte zu bestimmen. Das Landgericht Frankfurt hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Das daraufhin vom Kläger angerufene Oberlandesgericht Frankfurt gab ihm jedoch recht.
Nun ging die beklagte Aktiengesellschaft ihrerseits in Berufung, der Fall landete vor dem für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs. Die BGH-Richter wiederum gaben der Aktiengesellschaft recht. Sie urteilten, der § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG erlaube „eine umfassende Regelung der Ermächtigung des Versammlungsleiters zur zeitlich angemessenen Beschränkung des Frage- und Rederechts des Aktionärs in der Satzung der Gesellschaft“.
Zulässig ist nach Ansicht des Zivilsenats insbesondere die Bestimmung von angemessenen konkreten Zeitrahmen für die Gesamtdauer der Hauptversammlung und die auf den einzelnen Aktionär entfallenden Frage- und Redezeiten, welche dann im Einzelfall vom Versammlungsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen zu konkretisieren sind.
Ebenfalls zulässig ist die Einräumung der Möglichkeit, einen Debattenschluss anzuordnen, der eine Beendigung der Hauptversammlung noch am selben Tag sicherstellt. Der Versammlungsleiter habe bei der Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens allerdings die konkreten Umstände der Hauptversammlung zu beachten. Er habe sich vor allem „an den Geboten der Sachdienlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zu orientieren“, ohne dass dies in der Satzungsbestimmung ausdrücklich geregelt werden muss.
Die BGH-Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass sich die umfassende Regelungsbefugnis der Hauptversammlung aus dem Sinn und Zweck der im Jahre 2005 in das Aktiengesetz eingefügten Ermächtigungsvorschrift des § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG ergebe. Ausgangspunkt der Regelung sei das Bestreben des Gesetzgebers, den Missbrauch des Frage- und Rederechts durch einige wenige Aktionäre, die später oftmals daraus Anfechtungsgründe hergeleitet und dann ihre Interessen eigenmächtig auf Kosten der Gesellschaft durchgesetzt haben, zu verhindern. Der Gesetzgeber habe die Regelungsbefugnis der Hauptversammlung geschaffen, um den Aktionären als den Inhabern des Frage- und Rederechts selbst die Möglichkeit einzuräumen, Vorgaben für eine angemessene Einschränkung durch den Versammlungsleiter zu beschließen.
(BGH/ml)
Urteile/Beschlüsse zum Fall:
- LG Frankfurt am Main, Urteil vom 28. November 2006 – 3-5 O 61/06
- OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12. Februar 2008 (ZIP 2008, 1333) – 5 U 8/07
- II. Zivilsenat des BGH, Urteil vom 8. Februar 2010 – II ZR 94/08