Rechtsstreitigkeiten: Entschädigung soll vor zu langen Prozessen schützen

Gerade kleine Unternehmen scheuen sich oft, vor Gericht um ihr Recht zu kämpfen, weil Prozesse manchmal länger dauern, als die Unter­neh­men finanziell durchstehen können. Häufig sind es die überlasteten Gerichte, die Prozesse unnötig hinauszögern. Jeder habe aber das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit, so Bun­des­jus­tiz­mi­nis­terin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie stellte deshalb gestern einen Gesetzentwurf für eine neue Ent­schä­di­gungs­re­ge­lung vor, das Unternehmen wie Privatpersonen in Zukunft vor überlangen Prozessen schützen soll.Bei überlangen Gerichtsverfahren gibt es bislang im deutschen Recht keinen speziellen Rechtschutz. Die Betroffenen können nur versuchen, sich mit einer Dienst­auf­sichts­be­schwerde gegen den Richter oder äußerstenfalls mit einer Verfassungsbeschwerde zu wehren. Für den Ausgleich von Nachteilen gibt es nur den allgemeinen Amts­haf­tungs­an­spruch, der oft nicht weiterhilft. Er gilt nur für schuldhafte Verzögerungen, um die es in vielen Fällen nicht geht. Außerdem deckt die Amtshaftung keine immateriellen Nachteile ab, etwa seelische oder gesundheitliche Belastungen durch überlange Gerichtsverfahren.

Überlange Prozesse können Privatpersonen und Inhaber kleiner Firmen aber nicht nur finanziell, sondern auch psychisch stark belasten. In vielen europäischen Ländern gibt es deshalb bereits einen besonderen Rechtsschutz bei unangemessen langen Verfahren. Mit der neuen Entschädigungsregelung bekämen auch Betroffene in Deutschland ein wirksames Mittel an die Hand, sich gegen überlange Prozesse zu wehren.

Für die Entschädigung kommt es nach Aussage von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger nicht darauf an, ob einzelnen Richtern ein Vorwurf zu machen sei. Der Staat trage für Organisation und Ausstattung der Justiz die Verantwortung. Mängel müssten daher unabhängig vom Verschulden zulasten des Staates gehen.

Bevor die Entschädigung geltend gemacht wird, muss der Betroffene die Verzögerung zunächst gegenüber dem Gericht rügen. Diese „Vorwarnung“ bietet den zuständigen Richtern Gelegenheit, bei berechtigter Kritik Abhilfe zu schaffen und schnell Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu treffen, z.B., indem sie einen Termin für die mündliche Verhandlung ansetzen oder ein noch ausstehendes Gutachten einholen. Wenn nicht, kann der Betroffene im zweiten Schritt nach drei Monaten Entschädigungsklage gegen den Staat erheben, auch wenn das verzögerte Ausgangsverfahren noch andauert. Zuständig für solche Entschädigungsklagen sollen einheitlich die Oberlandesgerichte sein.

Der Ersatz umfasst die durch die Verzögerung entstandenen materiellen Schäden. Auch für immaterielle Nachteile soll Ersatz geleistet werden, soweit nicht – je nach Einzelfall – eine Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist. Weitere Informationen dazu hier.

Momentan haben Länder und Verbände Gelegenheit, zu dem Gesetzesentwurf Stellung zu nehmen.

(BMJ/ml)