Zahlungsmoral: Deutsche Unternehmen kassieren am schnellsten

Deutsche Lieferanten pochen im europäischen Vergleich auf die kürzesten Zahlungsfristen und haben damit Erfolg, wie der aktuelle Zahlungsmoralbarometer des Inkassounternehmens Atradius beweist. So wollen deutsche Unternehmen im Durchschnitt nach 19 Tagen bezahlt werden. Tatsächlich werden ihre Rechnungen im Inland nach durchschnittlich 22 Tagen beglichen. Damit zahlen deutsche Unternehmen zwar immer noch drei Tage zu spät, aber im Vergleich zum Sommer 2009 hat sich die Dauer überfälliger Rechnungen halbiert. Ein steigender Finanzierungsbedarf und gleichzeitig schlechte Jahresabschlüsse könnten aber die Zahlungsmoral schon bald wieder schwächen.

„Die Lieferanten fahren die Früchte eines intensivierten und konsequenteren Mahn- und Forderungsmanagements ein“, kommentiert Michael Karrenberg, Leiter Risikomanagement bei Atradius Deutschland, die Studienergebnisse. „Im Zuge der Wirtschaftskrise haben viele Unternehmen ihre Zahlungsziele verkürzt, um ihre Liquidität zu sichern. Zunächst konnten sie sich am Markt damit nicht durchsetzen, jetzt aber scheinen die Maßnahmen zu greifen.“

Im Vergleich mit den anderen europäischen Nachbarn machen die Deutschen ihren Kunden mit einem Zahlungsziel von 22 Tagen zwar den größten Druck. Die Zahlungsfristen reduzierten sich aber gegenüber Sommer 2009 mit Ausnahme von Großbritannien und den Niederlanden in allen befragten Ländern. So geben Lieferanten im zweitplatzierten Dänemark ihren Kunden mittlerweile 26 Tage und Italien als Schlusslicht 60 Tage Zeit, um ihre Rechnungen zu begleichen.

Wie wichtig schnelle Zahlungseingänge für die Liquidität sind, macht Karrenberg am Beispiel deutscher Unternehmen deutlich: „Werden die Forderungen eines größeren mittelständischen Unternehmens durchschnittlich auch nur einen Tag schneller beglichen, reduziert sich der Finanzierungsbedarf für dieses Unternehmen bereits um mindestens eine Million Euro pro Jahr. Die Verkürzung der Zahlungsdauer von 28 im Sommer 2009 auf jetzt 22 Tage bedeutet für die Unternehmen also ein beträchtliches Liquiditätspolster.“

Auch die ausländischen Geschäftspartner der Deutschen beeilen sich mittlerweile bei der Begleichung ihrer Rechnungen. Mussten deutsche Lieferanten im Sommer 2009 noch durchschnittlich 36 Tage bis zum Zahlungseingang warten, dauert es jetzt nur noch 25 Tage. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind allerdings erheblich: Unternehmen in Italien lassen sich mit 72 Tagen bei der Bezahlung mit Abstand am meisten Zeit, gefolgt von Belgien (38 Tage) und den Niederlanden (36 Tage). Deutschland ist im europäischen Vergleich am schnellsten.

Trotz besserer Zahlungsmoral ist es für eine Entwarnung laut Atradius jedoch noch zu früh. Der Finanzierungsbedarf werde sich im Zuge steigender Umsätze im Aufschwung wieder erhöhen. Gleichzeitig würden die Jahresabschlüsse 2009 bei den meisten Unternehmen aufgrund der Krise schlechter ausfallen. „Kreditgeber und -versicherer dürfen Unternehmen daher nicht nur auf Basis der Bilanzen 2009 bewerten, sondern müssen die Zukunftsperspektiven wie zum Beispiel die voraussichtliche Umsatzentwicklung jedes einzelnen Unternehmens in ihre Kreditentscheidungen mit einbeziehen“, so Atradius-Deutschland Chef Dr. Thomas Langen. „Nur so kann der Aufschwung an Fahrt gewinnen.“

Die (englischsprachige) Studie Atradius Zahlungsmoralbarometer wird zweimal jährlich herausgegeben. Die englischsprachige Version der Studie steht bereits jetzt als kostenloser Download online zur Verfügung. Eine deutsche Version soll in Kürze folgen. Den entsprechenden Link finden Interessenten zu gegebener Zeit hier.

(Atradius/ml)