Biokraftstoffe sind Teil einer künftigen Antwort auf wachsende Umweltbelastung und Ressourcenverknappung beim Erdöl. Ein neues Verfahren des Chemikers Jean-Paul Lange und seiner Kollegen von Shell könnte diese Entwicklung kräftig beschleunigen: Sie haben nun eine vielversprechende neue Generation Biokraftstoffe auf Holzbasis entwickelt. Wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, könnten heutige Fahrzeuge ohne Modifikationen damit fahren und das derzeitige Tankstellennetz nutzen.
Die bisherigen Biokraftstoff-Generation basierte auf der Umwandlung von Zuckerbestandteilen der Pflanzen, Stärke und pflanzlichen Ölen. Da diese Rohstoffe aber auch als Nahrungsmittel gebraucht werden, können auf diese Weise die im Transportsektor benötigten Mengen nicht gedeckt werden, ohne in einen moralisch bedenklichen Ressourcenkonflikt zu Lebensmitteln zu treten.
Eine interessante Alternative stellt Lignocellulose (von lateinisch lignum, also: Holz) dar, aus der die Zellwand verholzter Pflanzen bestehen. Dieser Rohstoff ist weiter verbreitet, kostengünstiger und seine Verwendung lässt sich nachhaltiger gestalten. Allerdings ließ sich Lignocellulose bisher nur durch komplexe und teure Aufarbeitung zu Biokraftstoffen veredeln.
Lange und seine Mitarbeiter fanden nun den richtigen Kniff und entwickelten ein vergleichsweise preiswertes Verfahren, um aus Lignocellulose sogenannte valerische Biokraftstoffe herzustellen. Die Bezeichnung valerisch kommt von der chemischen Bezeichnung Valeriansäure, eine Substanz, die in dem Verfahren eine tragende Rolle spielt.
Für Fachkundige:
Das neue Verfahren basiert auf dem Gedanken, dass Lävulinsäure, ein Produkt, das üblicherweise aus Glucose hergestellt und unter anderem als Zusatzstoff in der Kosmetik-, Kunststoff- und Textilindustrie verwendet wird, durch einfache saure Hydrolyse auch aus Lignocellulose gewonnen werden kann. Aus Lävulinsäure ließen sich bisher jedoch noch keine Kraftstoffe mit zufriedenstellenden Eigenschaften gewinnen. Lange und seine Mitarbeiter fanden nun einen effizienteren Weg: Sie hydrieren Lävulinsäure in einem neu entwickelten Verfahren zunächst zu Valeriansäure, die sie dann zu Valeraten verestern. So entsteht eine neue Familie von Kraftstoffen, die sogenannten valerischen Biokraftstoffe. Sie lassen sich, je nachdem mit welchen Reaktionspartnern sie verestert werden, in Form von Biobenzin oder Biodiesel herstellen.
Die neuen Kraftstoffe haben bereits eine lange Liste harter Tests bestanden. In einem Praxistest wurden zudem zehn gängige Fahrzeugtypen, neu und gebraucht, ausschließlich mit einer Mischung aus normalem Benzin mit 15 % des valerischen Biobenzins betankt und auf die Straße geschickt, um 500 km pro Tag zurückzulegen. Nach insgesamt 250.000 km Fahrstrecke waren keine Beeinträchtigungen von Fahrverhalten, Motor, Tank oder Benzinleitungen zu verzeichnen.
Fazit: Heutige Fahrzeuge können mit diesen neuen Kraftstoffen fahren, ohne dass ihre Motoren umgerüstet werden müssten, ebenso könnte das aktuelle Tankstellennetz für den Vertrieb genutzt werden, denn sie sind mit den derzeitigen Kraftstoffen mischbar.