Der Beitrag von Biokraftstoffen zur Vermeidung von Treibhausgasen ist unter den gegenwärtigen EU-Regeln möglicherweise negativ, ergab eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Die Produktion von Biomasse auf bereits bestehenden Ackerflächen könne nämlich den Nahrungsmittelanbau verdrängen. Als Ausgleich werden dann Naturflächen – im Extremfall durch die Abholzung von Regenwäldern – für die Nahrungsmittelproduktion umgewandelt. Deshalb helfe der Einsatz von Biokraftstoffen dem Klima unter den aktuellen Bedingungen kaum. Nur eine Reform der EU-Nachhaltigkeitsanforderungen an Biokraftstoffe könne Abhilfe schaffen, warnt IfW-Umweltexpertin Mareike Lange.
Das gelte umso mehr, betont die Wissenschaftlerin, als der Einsatz von Biokraftstoffen nach wie vor ein wichtiges Element der EU-Strategie zur Abschwächung des Treibhauseffekts ist. Diese sieht vor, dass bis 2020 mindestens 10 % des Energieverbrauchs im Transportsektor aus erneuerbaren, nicht-fossilen Energiequellen gedeckt werden. Biokraftstoffe sind dafür bisher die wichtigste Bioenergieoption. Das Hauptproblem dieser Biokraftstoffe ist der zusätzliche Flächenbedarf zur Biomasseproduktion. Findet die Produktion auf bereits vorhandenem Ackerland statt, dann steht die Biokraftstoffproduktion in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion („Tank versus Teller“). Werden dagegen zuvor ungenutzte oder anderweitig genutzte Flächen für die Biomasseproduktion umgewandelt (direkte Landnutzungsänderung), führt dies im Falle von Wald, Savannen und Grünland neben dem Verlust an Biodiversität und Habitaten zu erheblichen Emissionen. Der Beitrag von Biokraftstoffen zum Klimaschutz tendiert dann gegen Null.
Treibhausgase entstehen aber auch dann, wenn die Biomasseproduktion den Anbau von Nahrungsmitteln von einem bereits bestehenden Ackerland verdrängt und Naturflächen umgewandelt werden, um diese verdrängte Nahrungsmittelproduktion zu ersetzen (indirekte Landnutzungsänderung).
Die gegenwärtigen europäischen Nachhaltigkeitsanforderungen an Biokraftstoffe setzen zwar Anreize, direkte Landnutzungsänderungen und die damit verbundenen ökologischen und klimatischen Folgen gering zu halten. Dies geschieht aber auf Kosten von indirekten Landnutzungsänderungen, so IfW-Umweltexpertin Lange. Es sei daher zumindest fraglich, ob unter den gegeben Nachhaltigkeitsanforderungen Biokraftstoffe tatsächlich zur Vermeidung von Treibhausgasen beitragen.
Die Wissenschaftlerin fordert daher, die europäischen Nachhaltigkeitsvorgaben sollten zukünftig effektive Anreize für die Biomasseproduktion auf degradierten Flächen, also auf versalzenen, kontaminierten und erodierten Flächen setzen. Auch für den stärkeren von Rohstoffen mit einer besonders hohen Energieproduktivität pro Hektar sollten vermehrt Anstöße gegeben werden. Um das Problem der indirekten Landnutzungsänderungen langfristig zu lösen, sollten über die energetisch verwendete Biomasse hinaus allen Agrarprodukten ihre Klimakosten direkt zugerechnet werden. Nur so lasse sich ein effektiver Klimaschutz über den Preis für Agrarprodukte erreichen.
Eine ausführliche Darstellung der Studienergebnisse kann in der Ausgabe 17 des Kiel Policy Briefs nachgelesen werden. Die Publikation steht als kostenloser Download im Internet zur Verfügung.