Arbeitsrecht: Bundesarbeitsgericht kippt Entlassung von 'Emmely'

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied heute einen von Arbeitgebern mit höchster Spannung verfolgten Fall, den Fall Emmely. „Emmely“ ist der Spitzname für eine Supermarktkassiererin, die zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen hatte und dafür fristlos entlassen wurde. Das heutige Urteil des BAG (Az.: 2 AZR 541/09) fiel zur Überraschung vieler so aus, wie Umfragen entsprechend die meisten Arbeitnehmer den Fall beurteilen.

So empfinden viele Deutsche den Rausschmiss der Kassierein als unverhältnismäßig. Anders die Richter der Vorinstanzen: Sie argumentierten – wie viele Arbeitsrechtler auch – die Entlassung als Antwort auf einen solchen Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber sei ohne Rücksicht auf die Schadensgröße angemessen.

Auch wenn die genaue Begründung des BAG-Urteils noch nicht bekannt ist, dürfte der heutige Richterspruch zu einer weitgehenden Umorientierung in der Frage führen, ob eine fristlose Entlassung bei Unterschlagung oder einem anderen Vertrauensbruch durch einen Mitarbeiter ohne Rücksicht auf weitere Umstände des Falls gerechtfertigt ist. Laut mündlicher Begründung der Richter des Zweiten Senats war es nämlich weniger der geringe Schaden, der die Unverhältnismäßigkeit begründet, sondern vielmehr die Schadenshöhe in Kombination mit der lange Betriebszugehörigkeit. Emmely war bei ihrem letzten Arbeitgeber, der beklagten Supermarktkette, 31 Jahre lang tätig. Das dadurch entstandene Vertrauen sei durch einen einmaligen Vertrauensbruch mit einer solch geringen Schadenshöhe nicht aufgebraucht worden, befanden die Richter.

Die derzeit noch ausstehende schriftliche Begründung des Urteils dürfte in diesem Fall besonders wichtig für die über den Fall hinausreichende Wirkung des heutigen Urteils sein.

Die Argumentation der bisherigen Rechtssprechung in solchen Fällen erläuterte uns bereits letzte Woche in einem Podcast-Interview der bekannte Arbeitsrechtler Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

(ml)