Fristlose Kündigung: Die Unternehmensspielregeln sind der Maßstab

Dr. Jobst-Hubertus Bauer
Dr. Jobst-Hubertus Bauer

Der Fall Emmely hat es sogar schon bis in die Wikipedia geschafft. Nun verhandelt das Bundesarbeitsgericht am 10. Juni den Fall in höchster Instanz erneut: Eine langjährige Super­markt­kas­siererin, Emmely, war wegen angeblicher Unterschlagung zweier Fla­schen­pfand­bons für 1,30 Euro fristlos gefeuert worden. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Berlin-Brandenburg bezeichnete die Kündigung als rechtens, in der öffentlichen Meinung stieß das Urteil aber auf Unverständnis. Zu Recht? Wir fragten Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Wenn das Eigentum des Unternehmers durch einen Mitarbeiter entwendet und dieser deshalb entlassen wird – so die gängige Rechtsauffassung im Arbeitsrecht – spielt es keine Rolle, ob es dabei um 1,30 Euro oder 1,3 Millionen geht. Vielfach sind Juristen sogar der Auffassung, man müsse davon ausgehen, dass jemand, dem schon kleine Beträge als Grund für eine Unterschlagung reichen, bei großen Beträgen umso mehr kriminelle Energie entwickeln werde.

Für Firmen sind solche Urteile denkbar schlecht fürs Image, denn viele Deutsche sind der Meinung, Tat und Sanktion müssten in einer angemessenen Relation zueinander stehen.

Wir haben deshalb die bevorstehende Entscheidung zum Anlass genommen, um beim Arbeitsrechtler Dr. Bauer nachzufragen. Er ist unter anderem Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, Mitglied des Verbandsausschusses des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes sowie Mitherausgeber der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht und der Arbeitsrechtlichen Praxis (AP).

Er sieht das strenge Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg arbeitsrechtlich als gerechtfertigt an. Er macht im Gespräch aber auch deutlich, dass es zwar im Belieben des Unternehmens stehe, wie eng ein Unternehmen die Grenzen definiert, was Mitarbeiter aus den Unternehmensmitteln privat nutzen dürfen und was nicht, dass er persönlich aber eher dazu neigt, eine gewisse Großzügigkeit zu praktizieren, vor allem, wenn ein Unternehmen seinerseits von seinen Mitarbeitern Flexibilität und Entgegenkommen erwartet. Die Spielregeln des Unternehmens, so sein Rat, müssten allerdings vorher klar kommuniziert werden.

(ml)