Die große Mehrheit der deutschen wie auch der weltweiten Unternehmen will wieder auf Wachstum umschalten – sei es von innen heraus oder durch Zukäufe. Das ergab das zweite Capital Confidence Barometer, eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, für die weltweit 800 Entscheider befragt wurden, davon 79 aus Deutschland. Basis des wachsenden Optimismus sind laut Studie eine deutlich gestärkte generelle Zuversicht und ein gewachsener finanzieller Spielraum der Unternehmen.
Joachim Spill, Partner bei Ernst & Young und Leiter des Bereichs Transaktionsberatung glaubt: „Die Talsohle ist durchschritten, die Zeit der Defensive für die meisten Firmen vorbei.“ Tatsächlich hegen fast drei Viertel der Unternehmen wieder Wachstumspläne. Seit der Vorgänger-Studie im Herbst 2009 hat sich der Anteil jener Unternehmen, die in den kommenden sechs Monaten expandieren wollen, von 37 % auf 73 % verdoppelt. Dabei halten sich die Wachstumsstrategien in etwa die Waage: 38 % der befragten Top-Manager legen den Schwerpunkt auf organisches Wachstum, 35 % auf aktive Zukäufe. Die expansive Planung entspricht den Erwartungen: Die deutsche Wirtschaft sehen gegenwärtig 64 %, das eigene Unternehmen sogar 69 % der Befragten optimistischer als noch vor einem halben Jahr.
„Mit zunehmender Liquidität wagen sich Unternehmen jetzt vermehrt an Akquisitionen, die sie zuvor aufgeschoben haben. Unsere Studie hat ergeben, dass es mehr potenzielle Käufer als verkaufswillige Unternehmen gibt. Daher könnte es verstärkt zu feindlichen Übernahmeversuchen kommen“, befürchtet Spill.
Allerdings warnt Spill auch davor, zu vergessen, dass für 10 % der Firmen im April 2010 immer noch das Überleben im Vordergrund stand. „Im November 2009 waren das nur 4 %.“ Allerdings sei diese schlechtere Selbsteinschätzung eines nicht unerheblichen Teils der Unternehmen kein spezifisch deutsches Phänomen, sondern identisch mit der globalen Entwicklung. Spills Erklärung: „Wir haben immer wieder festgestellt, dass die Schwächen der Kapitalstruktur und der Finanzierung gerade am Ende einer rezessiven Phase offenkundig werden, dann nämlich, wenn es darum geht, die wieder hochlaufende Produktion zu finanzieren.“
Spezielle nationale Eigenheiten gibt es allerdings auch: Die Neigung deutscher Manager, Geld für das Wachstum auszugeben, sei weniger ausgeprägt als im internationalen Durchschnitt, so Spill. Während weltweit zwei Drittel der Unternehmen die verfügbaren Mittel primär in ihr organisches Wachstum stecken wollen, sind es in Deutschland nur 54 %. Und die Bereitschaft, vorzugsweise in Zukäufe zu investieren, liegt hierzulande mit 29 % ebenfalls deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 40 %.
Deutsche Unternehmer setzen laut Spill zum Teil andere Prioritäten. Im Land der Technik würden Forschung und Entwicklung mit höheren Investitionen bedacht als im globalen Durchschnitt. Zudem schlage sich eine tendenziell größere Vorsicht im stärkeren Bedürfnis nieder, die Schulden zu tilgen. Hinzu komme die traditionelle Neigung, den Aktionären möglichst regelmäßige und gleichbleibende Dividenden zu bieten. Dennoch habe der Appetit deutscher Manager auf Übernahmen in gleichem Maße zugenommen wie im globalen Umfeld.
Waren es vor einem halben Jahr erst rund 24 % der deutschen wie der weltweiten Entscheider, die Zukäufe ihrer Unternehmen in den darauf folgenden sechs Monaten für wahrscheinlich hielten, so sind es in der jüngsten Umfrage jeweils rund doppelt so viele. Ein Grund: Viele Unternehmensführer haben das gute Gefühl, das sie ihre Hausaufgaben erledigt haben. Immerhin sei der Anteil jener Befragten, die in ihren Firmen noch einen hohen oder gar sehr hohen Restrukturierungsbedarf sehen, binnen sechs Monaten von mehr als 80 % auf rund ein Drittel geschrumpft, gibt Spill zu bedenken.
„Nicht zuletzt ist diese neue Gemütsverfassung daran abzulesen, dass sich nur noch jedes sechste Unternehmen in seinen Zukaufsmöglichkeiten eingeschränkt sieht – vor sechs Monaten waren es noch 60 %“, unterstreicht Spill. Dabei werfen die deutschen Manager einen durchaus realistischen Blick auf die Möglichkeiten der Fremdkapital-Finanzierung. Zwar sind 55 % (weltweit: 61 %) der Ansicht, dass sich diese in den vergangenen sechs Monaten verbessert haben. Und nahezu jeder Zweite erwartet, dass es in zwölf Monaten keine Schwierigkeit mehr sein wird, Kredite für kapitalintensive Projekte zu erlangen. Doch aktuell sehen vier von fünf Befragten noch Finanzierungsengpässe.
Offenbar setzt die Mehrheit der Unternehmen zunächst auf die eigene, verbesserte Liquidität. Tatsächlich bleiben Barmittel fürs Erste die Finanzierungsquelle Nummer eins. Dies ist bei 46 % der deutschen und 48 % der weltweiten Firmen der Fall, wenn auch mit sinkender Tendenz. Fremdkapital spielt bei nur jedem dritten deutschen und bei 27 % der weltweit befragten Unternehmen die Hauptrolle. Dabei haben in Deutschland die Bankkredite mit 20 % das größte Gewicht, gefolgt von Wandelanleihen und Unternehmensanleihen mit jeweils 9 %.
Eigene Aktien (14 %), Kapitalerhöhungen (10 %) und Verkäufe (1 %) rangieren als wichtigste Geldquellen zur Finanzierung von Transaktionen weit dahinter. In Deutschland ist die Beteiligung von Private-Equity-Gesellschaften mit 4 % ebenfalls eine eher untergeordnete Option – international hat sie mit einem Anstieg von drei Prozent auf elf Prozent in den vergangenen sechs Monaten bereits wieder sichtlich an Bedeutung gewonnen.
Als Handicap der Expansion könnte sich der Refinanzierungsbedarf erweisen. Gut ein Drittel der Unternehmen in Deutschland wie weltweit muss innerhalb der kommenden zwölf Monate Kredite, Anleihen und andere Fremdmittel bedienen oder umschulden. „Dabei wird es darum gehen, auch Prolongationen oder neue Anleihen zu vernünftigen Konditionen zu bekommen“, sagt Spill.
Die Ergebnisse der Studie stehen als kostenloser Download im Internet zur Verfügung.