Eine Verlängerung der Restlaufzeiten für Kernkraftwerke (AKW) würde den Betreibern von AKWs Milliardengewinne einbringen, während die Chancen, wesentliche Teile der Zusatzgewinne in die leere Staatskasse umzuleiten, gering sind. Zu diesem Ergebnis kommt das aktuelle Energiemarktbarometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Im Rahmen des halbjährlich veröffentlichten Energiemarktbarometers befragt das ZEW im Mai rund 200 Energieexperten aus Wissenschaft und Praxis zu den Entwicklungen an den Energiemärkten.
Sonderabgaben in Verbindung mit der Verlängerung von AKW-Laufzeiten sind ein wesentlicher Punkt der Haushaltssanierung, wie sie die Bundesregierung Anfang dieser Woche angekündigt hat. 65 % der vom ZEW befragten Energiemarktexperten gehen allerdings davon aus, dass es der Bundesregierung nicht gelingen wird, bei einer Verlängerung der AKW-Laufzeiten den von ihr angestrebten Anteil an den anfallenden zusätzlichen Milliardengewinnen zu vereinnahmen. Dagegen geht nur etwa ein Fünftel der befragten Energiemarktexperten davon aus, dass die Bundesregierung die Zusatzgewinne vollständig oder zumindest zum überwiegenden Teil abschöpfen kann.
Dr. Andreas Löschel, Umweltökonom am ZEW, vermutet, dass hinter dieser Einschätzung der Experten frühere Erfahrungen mit starken politischen Widerständen bei ähnlich gelagerten Plänen stehen. Um dann zu ergänzen: „Eine Rolle dürfte aber auch spielen, dass die genauen Zahlen zu möglichen Zusatzgewinnen in erster Linie den Betreibern der AKWs bekannt sind und nicht der Politik.“
Zusatzgewinne
Zusatzgewinne bei einer Laufzeitverlängerung entstehen durch die relativ niedrigen Erzeugungskosten von ca. 2,65 Cent pro Kilowattstunde in den bereits abgeschriebenen Meilern. Die Differenz zum Börsenpreis für Strom von ca. 5,4 ct/kWh ergibt den Gewinn je erzeugter Kilowattstunde aus Kernenergie. Eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke würde diese Gewinne auch in Zukunft ermöglichen.
Die Vereinnahmung von Zusatzgewinnen durch die öffentliche Hand ist sowohl Bestandteil der aktuellen Finanzplanungen zur Einhaltung der Schuldenbremse als auch Grundpfeiler des angekündigten Energiekonzepts der Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag von 2009 schreiben CDU, CSU und FDP: Der wesentliche Teil der zusätzlich generierten Gewinne aus der Laufzeitverlängerung der Kernenergie solle von der öffentlichen Hand vereinnahmt werden. Sollte allerdings die Brennelementesteuer, die jüngst im Rahmen der Sparklausur vorgeschlagen wurde, tatsächlich realisiert werden, verzichtet der Staat auf genau diesen wesentlichen Teil der Gewinne, sofern nicht zusätzliche Maßnahmen zur Gewinnabschöpfung ergriffen werden.
„Die neuerdings diskutierte Steuer auf Brennelemente wird auf Dauer die Zusatzgewinne bei den Betreibern nicht abschöpfen“, behauptet jedoch Löschel. Berechnungen würden zeigen, dass die Mehreinnahmen aus einer möglichen AKW-Laufzeitverlängerung in der Zukunft bei etwa fünf Milliarden Euro jährlich liegen könnten. Zwar würde mit einem erwarteten Aufkommen aus der Brennelementesteuer von mehr als zwei Milliarden Euro der Zusatzgewinn in der ersten Zeit vollständig abgeschöpft. „Das Gros der Zusatzgewinne wird aber erst auf mittlere und lange Sicht anfallen, wenn die Laufzeiten der Atomkraftwerke tatsächlich die beim Atomausstieg beschlossenen Grenzen überschreiten“, gibt der ZEW-Experte zu bedenken. Diese Gewinne würden dann nämlich das Aufkommen aus der Brennelementesteuer erheblich übersteigen. Insbesondere gelte dies, da die Brennelementesteuer allein auf die Stromproduktion erhoben wird und den Strompreis außer Acht lässt, bei dem in den kommenden Jahren eher mit einem Anstieg als mit einer Verringerung zu rechnen sei.
Das ZEW Energiemarktbarometer ist eine halbjährliche Befragung von rund 200 Experten aus Wissenschaft und Praxis (Energieversorgungs-, -handels- und -dienstleistungsunternehmen).