Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wies laut einer heute veröffentlichten Presseerklärung eine Verfassungsbeschwerde gegen das in Baden-Württemberg neu eingeführte nächtliche Verkaufsverbot von alkoholischen Getränken in Teilbereichen des Einzelhandels zurück (Beschluss vom 11. Juni 2010 – 1 BvR 915/10). Der am 1. März 2010 in Kraft getretene § 3a des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG) beschränkt im Wesentlichen den nächtlichen Verkauf alkoholischer Getränke außerhalb von Gaststätten.
Konkret untersagt der betreffende Paragraf – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – den Verkauf von alkoholischen Getränken in Ladengeschäften aller Art sowie unter anderem auch in Tankstellen, Bahnhöfen, Kiosken und Basaren in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wollte der Kläger die Verletzung seines Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) durch das nächtliche Verkaufsverbot feststellen lassen.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen, da sie nach Ansicht der Richter keine grundsätzliche Bedeutung hat. Eine Verletzung des Grundrechts des klagenden Bürgers aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die angegriffene Regelung sei nicht ersichtlich.
Die Verfassungsrichter sehen zwar durchaus einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers durch den neuen Paragrafen, eine Verletzung des Grundrechts liegt ihrer Ansicht nach jedoch nicht vor, da die Vorschrift in formeller und materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei und insbesondere nicht gegen das Übermaßverbot verstoße.
Die Richter betonten außerdem, mit dem Verkaufsverbot verfolge der Landesgesetzgeber das Ziel, einer vor allem während der Nachtzeit zu verzeichnenden Zunahme alkoholbedingter Straftaten und Ordnungsstörungen sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen. Hierbei handle es sich um „wichtige Gemeinwohlbelange, die geeignet sind, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu rechtfertigen“. Die Einschränkung der Alkoholverkaufszeiten führt nach Meinung der Richter zu einer Eindämmung übermäßigen Alkoholkonsums, der gerade durch die jederzeitige Verfügbarkeit gefördert werde.
Der insgesamt wohl entscheidende Punkt, warum die Verfassungsrichter in der allgemeinen gesetzlichen Regelung keinen übermäßigen Eingriff sehen, kommt in ihrer Begründung ebenfalls deutlich zum Ausdruck: „Lediglich temporäre Verkaufs- oder Konsumverbote durch Einzelverfügung der Ortspolizeibehörden wären kein milderes Mittel, das die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung entfallen ließe. Derartige polizeirechtliche Maßnahmen wären bereits aufgrund ihrer örtlichen Begrenztheit nicht gleichermaßen wirksam.“
Die Richter sehen zudem den Beschwerdeführer durch das nächtliche Verkaufsverbot nicht unzumutbar beeinträchtigt. Der Einschränkung seiner Handlungsfreiheit stünden die Schutzgüter der Gesundheit sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegenüber, denen ein hoher Stellenwert zukomme. Vor allem vor dem Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer auch während der Verkaufsverbotszeiten ein Konsum vorab erworbener alkoholischer Getränke ebenso wenig verwehrt werde wie der Genuss dieser Getränke in Gaststätten und sonstigen privilegierten Verkaufsstellen, sei das nächtliche Verkaufsverbot verhältnismäßig.
Die heutige Ablehnung der Verfassungsbeschwerde dürfte Diskussionen um die Einführung ähnlicher Regelungen in anderen Bundesländern erneut aufflammen lassen, zumal in der Begründung der Richter kein Bezug auf eine etwaige länderspezifische Rechtslage genommen wird.