Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) will in einem Modellprojekt prüfen, welche Vor- und Nachteile mit einer anonymisierten Bewerbung für Bewerber und Betriebe in der Praxis verbunden wären. Derartige Bewerbungen sollen weder Angaben zum Namen, Alter, Geschlecht und zur ethnischen Herkunft noch Fotos enthalten. Nur so werde der potenzielle Arbeitgeber ohne Vorurteile über eine Einladung zum Bewerbungsgespräch entscheiden, glaubt Christine Lüders, Leiterin der ADS. Die meisten Arbeitgeber sehen das jedoch anders. Nun bekommt Lüders wissenschaftliche Schützenhilfe: Klaus F. Zimmermann, Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, begrüßt das Modellprojekt ausdrücklich und wird es mit seinem Institut unterstützen.
Zimmermann kündigte an, sein Institut werde das Pilotprojekt der ADS wissenschaftlich begleiten. Er ist sich sicher: „Von diesen Erfahrungen werden gerade auch die Unternehmen profitieren.“ Denn Diskriminierung sei auch mit Fehlentscheidungen der Unternehmen verbunden, die Produktivität kosten und damit wirtschaftliche Nachteile bringen. So müssten sich angesichts der wachsenden Facharbeiterlücke auch solche Firmen verstärkt für Bewerber mit Migrationshintergrund öffnen, die sich bisher eher zurückgehalten haben. Zimmermann weiter: „Außerdem wissen wir, dass multiethnisch aufgestellte Belegschaften viele Vorteile bringen, weil sich hier die Fähigkeiten der einheimischen Mitarbeiter mit den Erfahrungen internationaler Kräfte vorteilhaft ergänzen.“
Der Modellversuch startet im Herbst 2010. Im Mittelpunkt steht dabei die Prüfung der Frage, wie der freiwillige Einsatz anonymisierter Lebensläufe in der ersten Bewerbungsphase durch die Unternehmen organisiert und gestaltet werden soll. Dazu will das IZA eine Expertise erstellen, um auch internationale Erfahrungen mit solchen Verfahren heranzuziehen. Modellversuche mit anonymisierten Lebensläufen gibt es bereits in anderen Ländern wie Frankreich, der Schweiz oder Schweden.
IZA-Direktor Zimmermann erhofft sich von dem Projekt auch generell ein verbessertes Klima für Arbeitskräfte aus dem Ausland. Angesichts der demografischen Entwicklung sei Deutschland dringend auf qualifizierte Kräfte durch Zuwanderung angewiesen. Dennoch seien für diese die Barrieren und Integrationshürden noch immer sehr hoch. Zimmermann: „Wenn wir hier nicht zu einer offeneren Grundeinstellung kommen, riskiert Deutschland erhebliche Wohlstands- und Wachstumsverluste.“
So hat das IZA kürzlich eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass türkischstämmige Bewerber bei der Stellensuche von Personalverantwortlichen benachteiligt werden. Demnach reicht bei identischem Lebenslauf allein ein türkischer Nachname aus, um die Chancen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch um bis zu einem Viertel geringer ausfallen zu lassen. Grund hierfür sind einerseits Vorurteile, andererseits aber auch fehlende Erfahrungen der Personalverantwortlichen. Die englischsprachige Studie (s. Bild oben) steht als kostenloser Download online zur Verfügung.
Zimmermann: „Erst wenn benachteiligten ethnischen Gruppen die Gelegenheit gegeben wird, sich auf dem Arbeitsmarkt zu beweisen, können sie die Vorurteile gegenüber ihrer vermeintlich geringeren Eignung ausräumen.“ Im Sinne einer vollständigen Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern sei daher ein Umdenken seitens vieler Arbeitgeber notwendig, das sich durch Gesetze allein nicht erzwingen lässt.