Der Deutsche Mittelstand hat die Wirtschaftskrise endgültig hinter sich gelassen. Das ist das Fazit des aktuellen Mittelstandsbarometers 2010 der Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Demnach sind 90 % der Mittelständler mit der aktuellen Geschäftslage wieder zufrieden, jeder zweite hält sie sogar für uneingeschränkt gut. Aber auch die Erwartungen sind kräftig gestiegen: 43 % der Unternehmer erwarten eine weitere Verbesserung der eigenen Lage, 59 % glauben, dass sich die allgemeine konjunkturelle Lage in Deutschland weiter verbessern wird.
Die deutschen Mittelständler sind so zufrieden und zuversichtlich wie seit dem Boom-Jahr 2007 nicht mehr. „Der deutsche Mittelstand erlebt derzeit einen grandiosen Aufschwung, der selbst die höchsten Erwartungen übertrifft“, stellt Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young, fest. Aber der Mittelstand ist ein von der Krise gebranntes Kind, das die Lektion so schnell nicht vergessen wird: Immerhin hält eine gewichtige Minderheit von 39 % der Unternehmen einen erneuten Wirtschaftseinbruch noch immer für möglich.
Englisch ist sich aber sicher: „Mit jedem Tag wird das Fundament des Aufschwungs fester, die wirtschaftliche Erholung gewinnt an Kraft. Und damit wird die Gefahr eines Rückschlags immer kleiner. Inzwischen kann man feststellen: Der deutsche Mittelstand ist über den Berg – er hat die Krise besser überwunden, als man vernünftigerweise hoffen konnte“. Aber auch der E&Y-Experte redet der Euphorie nicht das Wort und warnt, der aktuelle Aufschwung müsse nicht nur vor dem Hintergrund des überdurchschnittlich starken Einbruchs im vergangenen Jahr gesehen werden, es gebe auch zahlreiche Anzeichen für ein Abflauen der Weltkonjunktur. Es sei daher gut möglich, dass der Aufschwung seinen Zenit bereits überschritten hat. Spätestens ab 2011 werde eine Stabilisierung auf hohem Niveau einsetzen.
Steigende Auftragseingänge und eine zunehmende Auslastung führen aber auch zu einer steigenden Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Zwar wollen 9 % der Unternehmen im kommenden Halbjahr die Zahl der Beschäftigten reduzieren, der Anteil der Unternehmen, die zusätzliche Mitarbeiter einstellen wollen, ist mit 24 % aber deutlich größer geworden. „Das deutsche Jobwunder hält an – es spricht viel dafür, dass die Zahl der Arbeitslosen in den kommenden Monaten tatsächlich unter die 3 Millionen-Marke fällt“, glaubt deshalb der E&Y-Experte Englisch. Viele Unternehmen dürften sogar Probleme haben, ihre Vakanzen rasch zu füllen: Immerhin 73 % der Mittelständler berichten von Schwierigkeiten bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. Jeder siebte bezeichnet es sogar als sehr schwierig, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden.
Auch bei den Investitionen verabschieden sich immer mehr Mittelständler von ihrer bisherigen Zurückhaltung: 24 % der Befragten planen, die Investitionsausgaben im kommenden Jahr zu erhöhen, nur 7 % wollen sie reduzieren. Eine große Mehrheit von 69 % hat allerdings vor, die Investitionsausgaben auf dem aktuellen Niveau zu belassen. Per saldo ist dennoch ein klarer Anstieg der Investitionen zu erwarten.
„Der deutsche Mittelstand schaltet jetzt wieder auf Wachstum um“, stellt Englisch deshalb fest. „Der Schock der Krise ist überwunden. Nun stehen nicht mehr Kostensenkungsprogramme ganz oben auf der Tagesordnung, sondern es wird auch wieder verstärkt über Innovationen, neue Produkte und Expansion nachgedacht. Das wird hoffentlich dazu führen, dass auch die bislang noch schwache Binnennachfrage wieder steigt.“
Nach wie vor jedoch ist der Export der Motor: Immerhin 43 % der mittelständischen Unternehmen sind auch im Ausland tätig und profitieren daher direkt von der guten Konjunkturentwicklung im Ausland und dem Anziehen der Auslandsnachfrage. Das reduziert die Abhängigkeit von der Binnennachfrage. Besonders große Hoffnungen setzen Experten auf die sogenannten BRIC-Länder – Brasilien, Russland, Indien und China. Jeder vierte deutsche Mittelständler ist bereits in mindestens einem dieser Länder tätig. Weitere 11 % der Unternehmen spielen derzeit mit dem Gedanken, dort eine Geschäftstätigkeit aufzunehmen.
Vor allem der chinesische Markt gewinnt stark an Bedeutung: 12 % der Unternehmen sind in China tätig – damit ist China (gemeinsam mit Polen) der drittwichtigste Auslandsmarkt für deutsche Unternehmen (hinter Frankreich und Österreich). Die anderen BRIC-Länder (Russland, Indien und Brasilien) spielen noch eine deutlich geringere Rolle. Die Unternehmen, die bereits Erfahrungen in BRIC-Ländern gemacht haben, bewerten diese überwiegend positiv. Besonders positiv äußern sich die Befragten über Indien: 59 % der Befragten bezeichnen ihre Erfahrungen auf dem indischen Markt als überwiegend positiv – nur 11 % haben vor allem negative Erfahrungen gemacht. Dabei rangieren Korruption und mangelnde Rechtssicherheit auf den ersten Stellen der Problemliste. Vor der Gefahr des Know-how-Klau wird vor allem von Unternehmen gewarnt, die auf dem chinesischen Markt tätig sind.
Es sind in erster Linie große und bereits international tätige Mittelständler, die den Schritt in die BRIC-Länder wagen. So geben 43 % der Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz an, in mindestens einem BRIC-Land tätig zu sein. Bei den Unternehmen mit weniger als 30 Millionen Euro Umsatz liegt der Anteil hingegen nur bei 16 %. Für kleinere Unternehmen sind die Risiken und Unsicherheiten oftmals zu groß und die Markteintrittskosten inzwischen zu hoch.
Für die Studie, die einmal pro Halbjahr durchgeführt wird, wurden 700 mittelständische deutsche Unternehmen befragt. Die Studie steht als kostenloser Download zur Verfügung.
(Ernst & Young / ml)