Eine eindringliche Warnung veröffentlichte heute das renommierte Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die IW-Experten kommen in ihrer Analyse des globalen Rohstoffmarkts zu dem Schluss, dass die deutsche Industrie nicht nur immer abhängiger von ausländischen Rohstofflieferungen wird, sondern die Versorgung, als solche immer stärkeren Risiken unterliegt. Vor allem Metallrohstoffe werden importiert, aber auch das meiste hierzulande benötigte Öl und Gas. Gleichzeitig sichern sich außereuropäische Länder – allen voran China – zunehmend exklusive Zugangsrechte zu den Quellen. Dadurch steigen die Nachfrage und der Preis, der am Ende auf alle anderen Preise durchschlagen wird, vom Auto bis zum Windrad.
Nachdem die Preise für Rohstoffe im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich in den Keller gegangen waren, hat sich seither der Wind gedreht – obwohl die Weltwirtschaft nach der Rezession noch gar nicht wieder richtig in Fahrt gekommen ist. Der Ölpreis hat inzwischen die 80-Dollar-Marke erreicht, Gold ist so teuer wie nie zuvor und der Preis für Eisenerz hat sich in der ersten Jahreshälfte verdoppelt. Letzteres trifft vor allem die Stahlkonzerne.
Die Elektroindustrie muss schon seit dem Tiefpunkt im Frühjahr 2009 wieder drastische Preissteigerungen bei Kupfer und anderen Nichteisenmetallen hinnehmen, die sie für ihre Produkte wie etwa Generatoren und Leitungen benötigt.
Steigende Preise sind jedoch nur eine Seite der Medaille – schwankende Preise die andere. Sie sind ein weiteres Problem für die auf Rohstoffe angewiesene Industrie. Denn diese muss sich über Termingeschäfte gegen Preisschwankungen absichern. Das verteuert ebenfalls die Produktion.
Doch nicht nur die Preise für Rohstoffe machen der Industrie zu schaffen. Auch die sichere Versorgung – selbst wenn es sich nur um kleine Mengen handelt – ist nicht immer gewährleistet, und zwar aus mehreren Gründen:
- Länder-Konzentration: Oftmals verfügen nur wenige Länder über wirtschaftlich abbaubare Rohstoffvorräte. Dies trifft beispielsweise auf die Gruppe der sogenannten Seltenen Erden zu – dazu gehört z. B. Lithium für Hochleistungsakkus. Bis zu 95 Prozent dieser Halbmetalle lagern in China. Auch die Vorkommen anderer wichtiger Rohstoffe konzentrieren sich auf wenige Staaten, bei Platin etwa zu 90 % auf Russland und Südafrika.
- Marktmacht: Viele Rohstoffe werden nur von wenigen Unternehmen angeboten; das treibt die Preise nach oben. So stammen etwa zwei Drittel des frei gehandelten Eisenerzes aus den Minen von nur drei Anbietern.
- Politische Instabilität: Viele Länder, die über wichtige Rohstoffvorkommen verfügen, sind politisch instabil. Im Kongo findet man etwa das Schwermetall Tantal, das zur Herstellung von Kondensatoren für Mobiltelefone benötigt wird. Wer sich in den politisch unsicheren Ländern als Investor niederlassen und den Abbau der Rohstoffe vorantreiben will, kann nicht sicher sein, ob er sein in Maschinen und Anlagen gestecktes Geld jemals wiedersieht.
- Handelsschranken: Insbesondere China, aber auch andere Länder behindern die Ausfuhr von Rohstoffen mit Zöllen oder Exportbeschränkungen. Ziel dieser strategischen Industriepolitik ist es, die Weiterverarbeitung der Rohstoffe ins eigene Land zu holen – zum Schaden der Produktion in Industrieländern wie Deutschland.
Eine Befragung von 141 Umweltexperten aus Unternehmen und Verbänden durch das IW im Juni 2010 bestätigt dieses Bild. Danach sieht die deutsche Wirtschaft insbesondere in steigenden und schwankenden Rohstoffpreisen ein Risiko für ihre Wettbewerbsfähigkeit. Verantwortlich dafür machen die Befragten vor allem die steigende Nachfrage und die Marktmacht der wenigen Anbieter.
Dass die wirtschaftlichen und geologischen Fördermöglichkeiten begrenzt sind, sehen bis zu 30 % der Experten als problematisch an. Protektionismus und andere politische Risiken werden von einem Fünftel als bedeutsame Risiken für die Rohstoffversorgung der deutschen Industrie eingeschätzt.