Im zweiten Quartal 2010 ist der Auftragseingang in der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie weiterhin unerwartet stark um 71 % gestiegen, wie heute der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) meldet. Einen extremen Schub verzeichnete die Inlandsnachfrage mit 81 %; die Auslandaufträge zogen um 66 % an. Im ersten Halbjahr 2010 stieg die Gesamtnachfrage damit um 58 % über das Vorjahresniveau. Inlandskunden bestellten 51 %, ausländische Kunden 61 % mehr als 2009.
Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) ist über die neuen Zahlen hocherfreut. „Auf den steilsten Absturz in der Geschichte der Werkzeugmaschinenindustrie folgen nun die höchsten Zuwachsraten seit den frühen 70er Jahren.“ Besonders positiv sei der hohe Zuwachs bei der Inlandsnachfrage im zweiten Quartal zu bewerten, so Schäfer weiter. Dies zeige, dass die Produktion in weiten Teilen der deutschen Industrie wieder Tritt gefasst hat.
Andere wichtige Kennzahlen für die Werkzeugmaschinenentwicklung weisen laut Auskunft des VDW ebenfalls nach oben. So sei die Kapazitätsauslastung vom Tiefstand (65,9 %) Mitte 2009, im Juni 2010 auf 76,3 % geklettert. Der Auftragsbestand ist seit dem Tiefstand im Oktober letzten Jahres zwar deutlich geringer von 5,6 Monaten auf 6,9 Monate im Juni dieses Jahres gestiegen, angesichts einer gesunkenen Gesamtkapazität sei dies dennoch positiv zu werten, so der Verband.
Ende des ersten Halbjahres zählte die Branche rund 63.800 Beschäftigte. Das entspricht einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr um knapp 10 %. Wie der Verband meldet, ist in den letzten Monaten jedoch eine Stabilisierung der Beschäftigungslage erkennbar.
Schäfer plädiert trotz der guten Zahlen für eine nüchterne Betrachtung der aktuellen Lage. Nach wie vor gebe es Unsicherheiten, z. B. Rückschläge im US-Markt, die erwartete Wachstumsverlangsamung in China oder Risiken im Finanzmarkt. Der VDW halte deshalb an seiner Prognose eines Umsatzrückgangs von 12 % fest. Erstens seien die Auftragspolster in den Unternehmen nach wie vor dünn. Zweitens seien die hohen Zuwachsraten im Auftragseingang auch auf einen Basiseffekt zurückzuführen, denn das Bestellvolumen wies im Vergleichszeitraum 2009 ein Minus von 66 % auf.
Drittens aber stelle sich die Kernfrage, wie stark der Auftragseingang am Ende auf den Umsatz tatsächlich durchschlage. So seien zwar Universalmaschinenhersteller, die genügend Liquidität hatten, um ihre Komponentenlager zu füllen, schnell lieferfähig und könnten daher sicher im laufenden Jahr noch Umsatz erzielen. Die Mehrzahl der Sonderanlagenhersteller benötige hingegen allein aufgrund längerer Verhandlungszeiträume mit nachfragemächtigen Großanwendern und aufgrund höheren Konstruktionsaufwands längere Durchlaufzeiten. Bei ihnen werde sich die Kasse erst im kommenden Jahr wieder füllen.
Schäfer schlussfolgert daher: „Aus den genannten Gründen spricht vieles dafür, dass die Lücke im Produktionswert möglicherweise nicht ganz so breit ausfallen wird, wie im Frühjahr befürchtet. Noch aber sprechen 19 % Umsatzminus im ersten Halbjahr eine klare Sprache.“