Der Fachkräftemangel ist ein immer größeres Problem für die Wirtschaft. Das Rennen um die Ansiedelung zukunftsträchtiger Industrien werden deshalb in Zukunft nur Standorte gewinnen können, die für kreative und hochqualifizierte Menschen attraktiv sind. Dabei spielen neben den Verdienstmöglichkeiten viele andere, weiche Faktoren eine Rolle, darunter auch die gesellschaftliche Toleranz und die kreative Stimulanz des Umfeldes. Das Planungs- und Beratungsunternehmen agiplan hat diese Faktoren untersucht und ein an der Theorie der Kreativen Klasse des Urbanisten Richard Florida orientiertes bundesweites Standortranking der Städte und Kreise erarbeitet.
„Wir haben für alle kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland einen Index errechnet, der sich an den Themenfeldern Technologie, Talente und Toleranz orientiert“, erklärt Dr. Christian Jacobi, geschäftsführender Gesellschafter der agiplan. „Mit Hilfe dieses sogenannten TTT-Index nach Richard Florida können wir darstellen, welche ökonomischen Stärken und Möglichkeiten in den verschiedenen Regionen Deutschlands stecken.“
Dass sich München, Berlin, Köln und Stuttgart unter den Top-10-Standorten bewegen, ist keine Überraschung für die Kenner von Floridas Theorie der Kreativen Klasse. Insbesondere bei der Betrachtung von Städten mit weniger als 500.000 Einwohnern hat die Studie jedoch Erstaunliches hervorgebracht. „Die Analyse der agiplan zeigt, dass der Zusammenhang zwischen dem TTT-Index kleinerer und mittlerer Städte und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung besonders signifikant ist. Erlangen, Darmstadt, Heidelberg, Jena, Aachen und Freiburg rangieren auf Augenhöhe mit den Millionenstädten ganz oben unter den Kreativen Hotspots“, berichtet Projektleiterin Alexandra Landsberg. Danach müssen kleine und mittlere Städte spezifische Strategien entwickeln, die das kreative Umfeld der Stadt unterstützen und die Offenheit und Urbanität stärken, wenn sie als Standort punkten wollen.
Erstmals hat das Unternehmen dabei für die kreisfreien Städte auch den sogenannten Gay Index (Homosexuellen-Index) ermittelt, der als zentraler Baustein in die Toleranzwerte eingeht. Dazu wurden 280.000 User-Daten des als schwules Einwohnermeldeamt bekannten internationalen Datingportals gay-romeo ausgewertet. Der so komplettierte TTT-Index liefert nun noch aussagekräftigere Werte in Bezug auf Wirtschaftskraft, Erwerbslosigkeit und Bevölkerungsentwicklung.
Der TTT-Index und die Theorie der Kreativen Klasse geht zurück auf die Arbeiten des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Richard Florida, nach der qualifizierte Fachkräfte zunehmend zum Standortfaktor werden. Diese sogenannte Kreative Klasse schätzt jedoch ein tolerantes Milieu, in dem sich Individualität auch außerhalb des Mainstreams entfalten kann. Zur Kreativen Klasse zählt Florida aber nicht nur kultur- und kreativwirtschaftliche Erwerbstätige, sondern auch alle Personen, deren Beruf kreative Anforderungen stellt, also auch Lehrer, Ärzte, Krankenpfleger und Physiker. (agiplan/ml)