Die Infrastruktur des deutschen Stromnetzes – und zwar sowohl auf der Transport- als auch auf der Verteilungsebene – müsse dringend und rasch ausgebaut werden, sonst seien die deutschen, aber auch die europäischen Klimaziele gefährdet, warnt der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) in seinem Positionspapier Übertragung elektrischer Energie. Es basiert auf den Ergebnissen der zweiten Netzstudie der Deutschen Energie-Agentur (Zusammenfassung hier), die – wie bereits zahlreiche Studien zuvor – zu dem Schluss kommt, dass die Stromnetze in Deutschland zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben deutlich ausgebaut werden müssen (wir berichteten bereits über die Studie).
VDE-Experte Prof. Dr.-Ing. Armin Schnettler, Leiter des Instituts für Hochspannungstechnik (IFHT) an der RWTH Aachen, der die dena-II-Studie als externer Gutachter prüfte, mahnt: „Wir müssen schnell eine robuste Vision zukünftiger Energienetze entwickeln, die die integrative Versorgung mit Strom, Wärme und Kälte sowie Mobilität berücksichtigt und gleichzeitig alle Arten von Kunden und Erzeugungseinheiten gleichermaßen einschließt.“
Laut Studie stellt für viele Übertragungsaufgaben ein klassisches 380kV-Freileitungsnetz, das sowohl durch den Neubau von Leitungen als auch durch die Verstärkung von bestehenden Leitungstrassen verstärkt wird, noch immer die technisch und wirtschaftlich beste Lösung dar. Problematisch bei der Umsetzung verstärkender Maßnahmen ist vor allem die Einbindung der Öffentlichkeit, die zwar insgesamt einen Ausbau der erneuerbaren Energien befürwortet, aber derzeit nicht bereit ist, auch den notwendigen Ausbau der Stromnetze vor allem über Freileitungstrassen zu akzeptieren. „Hier müssen wir zum einen alle vielversprechenden neuen Technologien für einen schnellen Einsatz qualifizieren und zum anderen die Öffentlichkeit stärker in die technischen Optionen mit den entsprechenden Vor- und Nachteilen einbinden“, fordert Fachmann Schnettler.
Zweiter Schwerpunkt des Ausbaus der Infrastruktur sind Verteilungsnetze, die mit Automatisierungs- und Kommunikationstechnik intelligent werden sollen. Die Aufrüstung zum Smart Grid erfolgt im Wesentlichen durch Einbau und Nutzung von Sensoren und Aktoren (Stellelemente) sowie Informationstechnologie, um möglichst viele Informationen über den Zustand zu erhalten, also den Beobachtungs- und Steuerungsgrad deutlich zu steigern. Um zu einem smarten Verteilungsnetz zu kommen, werden die Ortsnetzstationen im ersten Schritt mit Mess- und Kommunikationseinrichtungen ausgerüstet. Darüber hinaus werden die Endkunden über neuartige Zähler (Smart Meter) eingebunden. „Hier können neue Geschäftsmodelle zu einer höheren Energieeffizienz führen“, betont Wolfgang Glaunsinger, Geschäftsführer der Energietechnischen Gesellschaft im VDE.
Der Strom kommt in Zukunft vor allem aus dem Norden. Aus großen Off-Shore-Windparks in Nord- und Ostsee sollen bis 2030 rund 25 Gigawatt Leistung angeboten werden. Gebraucht wird er dagegen insbesondere im Süden und Westen der Republik. Deshalb gilt: ohne Netze keine neue Energie. Die Politik muss hier Anreize setzen, um die zu langen Planungs- und Genehmigungsfristen zu verkürzen, so die Forderung des VDE.
Das VDE-Positionspapier Übertragung elektrischer Energie steht als kostenloser Download online zur Verfügung.