Im vergangenen Jahr ist weltweit in rund sechs von zehn Staaten die Gesamtbelastung durch Steuern, Abgaben und Verwaltungskosten für Unternehmen gesunken. Damit setzte sich der Trend zur Steuervereinfachung und Entbürokratisierung trotz Wirtschaftskrise und angespannter Haushaltslage fort – außer in Deutschland. Das belegt die diesjährige gemeinsame Studie Paying Taxes 2011 der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), der Weltbank und der International Finance Corporation (IFC). Eine der Folgen: Die Bundesrepublik fiel im weltweiten Ranking von Platz 112 im letzten Jahr auf Platz 128 in diesem Jahr zurück.
Entsprechend dieser Studie sank im Jahr 2009 der Anteil aller Steuern und Abgaben am Unternehmensgewinn (Total Tax Rate, bzw. TTR) im weltweiten Durchschnitt von 48,3 % auf 47,8 %. Der Zeitaufwand der Unternehmen für die Steuerbürokratie reduzierte sich leicht von 286 auf 282 Stunden.
In den vergangenen fünf Jahren haben die Regierungen damit weltweit erhebliche Fortschritte bei der Steuerentlastung und -vereinfachung gemacht. In den Volkswirtschaften, deren Steuersysteme bereits in der Studie von 2006 analysiert wurden, sanken die TTR im Mittel um fünf Prozentpunkte und der Zeitaufwand um rund eine Woche. Insgesamt haben 90 Volkswirtschaften seit 2005/2006 die Steuern und Abgaben für Unternehmen verringert.
Unternehmen in Deutschland allerdings haben im vergangenen Jahr nicht von erleichterten Rahmenbedingungen bei Steuern und Abgaben profitiert. Vielmehr stieg die Gesamtbelastung der Unternehmensgewinne von 44,9 % auf 48,2 %. Gemessen an der TTR verschlechterte sich Deutschland damit im globalen Ranking von Platz 112 auf Platz 128. Dieter Endres, Leiter des Bereichs Tax und Vorstandsmitglied bei PwC. mahnt daher: „Diese doch deutliche Veränderung ist allein auf die – mittlerweile durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ausgesetzte – Verpflichtung der Unternehmen zur linearen statt degressiven Abschreibung zurückzuführen. Die Regierung sollte daher die degressive Abschreibung grundsätzlich wieder zulassen.“
Berechnungsgrundlage
Die Studie Paying Taxes vergleicht jährlich die durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung sowie die indirekten Folgekosten der Steuerbürokratie. Dabei wird ein für alle Staaten einheitliches, repräsentatives Modellunternehmen mit einem Bruttogewinn von 20 % des Umsatzes zugrunde gelegt.
Der für die Bürokratie anfallende Zeitaufwand erhöhte sich in Deutschland von 196 auf 215 Stunden. Der Grund hierfür ist die Einführung des Elektronischen Entgeltnachweises (ELENA), die in vielen Unternehmen einen erhöhten Einarbeitungsaufwand mit sich brachte.
Auch international gibt es einiges zu verbessern: Die effektive Steuer- und Abgabenbelastung der Unternehmen schwankt nicht nur im weltweiten Vergleich erheblich, sondern auch zwischen ökonomisch und politisch eng miteinander verknüpften Ländern wie den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. In der EU reicht die Spannbreite bei der TTR von 21,1 % in Luxemburg bis 68,6 % in Italien, der Durchschnittswert beläuft sich auf 44,2 %. Steuerreformen mit einer Senkung der Steuersätze gab es im vergangenen Jahr nur in sieben Mitgliedsstaaten, darunter fünf Ländern in Osteuropa.
Auch die notwendige Bearbeitungszeit für Steuererklärungen, die Abführung von Sozialabgaben und ähnliche administrative Aufgaben unterscheiden sich von Land zu Land erheblich. Während die Steuerbürokratie in Luxemburg ansässige Unternehmen nur mit 59 Stunden pro Jahr belastet, fallen im EU-Durchschnitt 222 Stunden an. In Bulgarien müssen sich Unternehmen sogar 616 Stunden im Jahr mit Steuerformalitäten befassen – dies relativiert die Attraktivität der mit 29 % vergleichsweise geringen Gesamtsteuerbelastung erheblich.
Die weltweit niedrigste Steuer- und Abgabenbelastung hatten Unternehmen im vergangenen Jahr in Osttimor (Timor-Leste) zu tragen. Die TTR lag hier bei lediglich 0,2 %. Auf den weiteren Plätzen folgen Steueroasen wie Vanuatu oder die Malediven mit einer Gesamtbelastung von unter 10 %. Am höchsten ist die Abgabenlast mit einer TTR von fast 273 % in der Demokratischen Republik Kongo sowie mit 238 % in Gambia.
Ungeachtet der Fortschritte bei der Steuervereinfachung entrichten Unternehmen nach wie vor nur den kleineren Teil der Steuern und Abgaben auf Grundlage der erzielten Gewinne. So machen Gewinnsteuern im weltweiten Durchschnitt nur rund 38 % der TTR aus, vom Unternehmen zu tragende Sozialabgaben und Versicherungsbeiträge für Beschäftigte machen gut ein Drittel der Gesamtbelastung aus, der verbleibende Rest entfällt auf Verbrauchssteuern und Abgaben von der Grunderwerbssteuer bis hin zur Maut für Gütertransporte.
In den Staaten der Europäischen Union ist der Faktor Arbeit mit einem Abgabenanteil von 64 % an der TTR besonders stark belastet. Während in Deutschland der Anteil von Gewinnsteuern und Sozialabgaben an der Gesamtbelastung in etwa gleich groß ist, entfallen in Frankreich, Belgien und vielen osteuropäischen Staaten 70 % und mehr der TTR auf beschäftigungs- beziehungsweise lohnabhängige Komponenten. In Litauen gibt es sogar überhaupt keine direkten Gewinnsteuern, sondern nur Sozialabgaben und übrige Steuern.
Die (englischsprachige) Studie Paying Taxes 2011 – The global picture steht als kostenloser Download online bereit.