Das neue Städteranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und der WirtschaftsWoche bewertete in diesem Jahr erstmals die 100 einwohnerstärksten kreisfreien Städte nach ihrer wirtschaftlichen Attraktivität. In den letzten Jahren kamen nur 50 Städte zum Zug. Durch die Erweiterung des Rankings erhielten nun auch kleinere Städte eine Chance, ihren Reiz auszuspielen – und in der Tat, einige entpuppten sich als echte Champions. So erreicht im aktuellen Ranking Erlangen beim Niveau den hervorragenden Platz 2, dicht hinter der Siegerstadt München und weit vor so starken Metropolen wie Stuttgart (Rang 7) und Düsseldorf (14). Erlangen besitzt nämlich nicht nur den höchsten Anteil Hochqualifizierter, auch die Arbeitslosenquote ist sehr niedrig.
Die Einkommensteuerkraft Erlangens wird nur noch von München und Hamburg übertroffen. Eine Analyse der Cityregion Nürnberg zeigt, dass Erlangen nicht nur sich, sondern die ganze Region nach vorne bringt und sogar die Probleme des früheren Quelle-Standorts Fürth überkompensiert.
Die niveaustärkste Stadt Ostdeutschlands ist Jena, das den Rang 46 belegt. Der Überraschungssieger im Dynamikvergleich (Entwicklung von 2004 bis 2009) liegt ebenfalls im Osten und heißt Stralsund.
Für das typische Wohlstandsgefälle von Süd/Südwest nach Nord/Ost hängt laut der dem Ranking zugrundeliegenden Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) mit Wissens-Clustern in Verbindung mit einer hoch innovativen Produktion in vielen Städte des Südens und Südwestens zusammen. Prominentes Beispiel dafür ist der Niveausieger München, wo globale Konzerne, exzellente Hochschulen und kleine Wissensschmieden ein derartiges Cluster bilden. Henning Krumrey, stellvertretender Chefredakteur der WirtschaftsWoche sieht darin eine langfristig stabile Entwicklung: „Es scheint sich ein Süd-Nord-Gefälle zu verfestigen. Süddeutsche und südwestdeutsche Städte dominieren die Top Ten.“
Nur Wolfsburg – ebenfalls neu im Ranking – kann sich hier dazwischen schieben. Innerhalb Niedersachsens ist die VW-Stadt einsame Spitze bei den Arbeitsmarktindikatoren sowie vor allem bei der Wirtschaftsleistung. Diese ist je Einwohner gerechnet nach Frankfurt/Main die höchste im Städtevergleich.
Stralsund ist der Dynamiksieger 2010. Die Performance dieser Kommune aus Mecklenburg-Vorpommern zeigt beim Niveau ein anderes Extrem: Hier ist Stralsund Schlusslicht. Das Ergebnis dokumentiert einerseits, dass die Folgen des Umbruchs auch zwei Jahrzehnte nach der deutschen Wiedervereinigung nicht überwunden sind. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und Wohlstandsindikatoren wie die verfügbaren Einkommen sind noch unterdurchschnittlich. Doch andererseits zeigt sich hier von niedrigem Niveau aus ein Konvergenzprozess. Um 7,8 Prozentpunkte verbesserte sich die Arbeitslosenquote in Stralsund, das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner stieg um 26,5 %.
Auch andere Städte Ostdeutschlands entwickelten eine überraschende Dynamik. Unter den zehn Kommunen, deren Arbeitslosenquote sich am stärksten verbesserte, sind neun aus Ostdeutschland.
Niveaubeste Stadt der neuen Länder ist der Wissenschaftsstandort Jena mit Rang 46. Jena schneidet nur drei Positionen schlechter ab als Köln und lässt Städte wie Osnabrück (52), Bielefeld (54) und Trier (55) hinter sich. Das liegt zum einen an der Stärke Jenas – das nach Erlangen die meisten Hochqualifizierten aufweist – zum anderen an der Schwäche Nordrhein-Westfalens, das fast nur mit den Städten der Rheinschiene punkten kann, z.B. mit Düsseldorf (14).
In Westfalen ragt noch die Wohlstandsinsel Münster (17) heraus. Von Mülheim an der Ruhr abgesehen finden sich alle Städte des Ruhrgebiets in der unteren Hälfte des Niveauvergleichs. Gelsenkirchen findet sich auf Platz 97 zwischen Leipzig und Brandenburg an der Havel. Während aber die beiden Städte aus den neuen Ländern eine überdurchschnittliche Entwicklung erleben, präsentiert sich Gelsenkirchen auftriebsschwach auf Dynamikrang 79. Insgesamt präsentieren sich 19 NRW-Städte auf Dynamikrängen zwischen 58 und 100.
Im Norden findet sich der Wohlstandsleuchtturm Hamburg noch im oberen Niveauviertel. Im Schnitt belegen die 15 Städte des Nordens aber nur Niveauplatz 60. Großstadt-typische soziale Probleme sowie noch vorhandene Teilungsfolgen trüben die Niveaubilanz Berlins. Die Hauptstadt kommt auf Niveaurang 90. Sie zeigt sich jedoch überdurchschnittlich dynamisch: Platz 30. Positiv entwickelte sich in Berlin der Arbeitsmarkt, wenn auch von niedrigem Niveau aus: Die Arbeitslosenquote verbesserte sich um 3,5 Prozentpunkte, Rang 21. Auch die Jobversorgung ist deutlich gestiegen. Die mittelfristige Perspektive Berlins beurteilen die Wissenschaftler positiv, da in Berlin viele neue Unternehmen in der wissensintensiven, unternehmensnahen Dienstleistung und Beratung entstehen.
Insgesamt zeigt das VII. Städteranking, dass die 100 einwohnerstärksten kreisfreien Städte in Deutschland trotz Krise einen starken Beschäftigungsaufbau erlebt haben – im Schnitt ergab sich ein Plus von 3,1 %. Mit einem Plus von 9,2 Prozentpunkten hat die Altersbeschäftigungsquote sogar noch deutlicher zugelegt.
Das komplette Städteranking mit zahlreichen Grafiken und Tabellen steht als kostenloser Download im Internet bereit.