Der weltweite Autoboom führt zu ungewöhnlich langen Lieferzeiten auf dem deutschen Markt. Hierzulande fehlen nach Berechnungen des Automotive Instituts der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC derzeit rund 264.000 Pkw, vor allem Fahrzeuge mit ganz bestimmten Motorenvarianten oder Extras. Kunden, die ihr Fahrzeug beim Kauf individuell konfigurieren (Motor-, Getriebevarianten und Sonderausstattung) und nicht auf ein ab Lager verfügbares Fahrzeug zurückgreifen, müssen sich daher momentan im Durchschnitt 12,9 Wochen bis zur Auslieferung gedulden. Bei einigen Modellen können sogar Lieferzeiten von bis zu sieben Monaten entstehen.
Der aktuelle Engpass zwingt die Hersteller, ihre Produktionskapazitäten auf wichtige Märkte zu konzentrieren. Felix Kuhnert, Leiter des Automobilbereichs bei PwC hat dafür Verständnis: „Da ein ausreichendes Angebot auf den weltweit größten Märkten China und USA unabdingbar ist, um hier langfristig Marktanteile zu gewinnen, ist eine gewisse Bevorzugung dieser Länder nachvollziehbar“.
Üblich waren in Deutschland bisher Lieferzeiten von lediglich acht Wochen. Der Anteil an solchen Build-to-Order-Fahrzeugen ist hierzulande besonders hoch, speziell bei den Premium-Herstellern (80 bis 85 %), aber auch im Volumensegment (50 und 60 %). Zum Lieferengpass kommt es, wenn Motorvarianten oder Sonderausstattungen sowohl in den für den boomenden Export bestimmten Fahrzeugen als auch in den individuell konfigurierten Fahrzeugen für den deutschen Markt verbaut werden sollen.
Die starke Auslandsnachfrage macht sich auch in der Lieferdauer für große Geländewagen und SUVs (Sports Utility Vehicle) bemerkbar. Derzeit liegt die Lieferdauer für die überwiegend in den USA gefertigten Offroad-Fahrzeuge in Deutschland bei fünf bis sieben Monaten. Die Experten von PwC Autofacts ermittelten die Kapazitätsauslastungen in den betreffenden Produktionswerken für das Jahr 2010 auf über 96 % und gehen für 2011 von einer ähnlich hohen Auslastung aus.
Die Lieferengpässe seien allerdings nicht nur auf die unerwartet schnell gestiegene Nachfrage, sondern auch auf eine zögerliche Ausweitung der Kapazitäten zurückzuführen, kritisiert Kuhnert. Seine Vermutung: Die Pkw-Hersteller zweifeln noch immer an der Nachhaltigkeit des aktuellen Nachfrageaufschwungs.
Kuhnert schränkt allerdings gleich wieder ein: Allerdings seien nicht nur die Hersteller bei der Fertigung von bestimmten Fahrzeugmodellen, Motoren- und Getriebevarianten im Verzug, sondern auch die Zulieferer. Vor allem bei kleineren Zulieferbetrieben dürfte eine Rolle spielen, dass diesen das notwendige Kapital bzw. Fremdkapital zum kurzfristigen Kapazitätsaufbau fehle.