Der viele Milliarden Euro schwere Markt für Beleuchtung ist weltweit in Bewegung. Energiesparlampen, die durch Brüssel lautstark protegiert seit einiger Zeit die klassische Glühbirne aus Büros und Wohnzimmern verdrängen, könnten ihrerseits bereits in einigen Jahren abgelöst werden. Und zwar von neuartigen, extrem lichtstarken Leuchtdioden (LED), die nur einen Bruchteil der heutigen Dioden kosten werden und nicht nur mehr Energie sparen, sondern – im Gegensatz zu den heutigen Sparlampen – auch keinen Sondermüll erzeugen.
Im Zeichen des Klimawandels und schwindender Ressourcen bietet das künstliche Licht ein hohes Einsparpotential. Momentan verschwende Europa für die Beleuchtung seiner Städte, Dörfer, Tunnel und Straßen bis zu 25 % der insgesamt verbrauchten elektrischen Energie, rechnet der Kasseler Forscher Prof. Dr. Bernd Witzigmann vor. Er mahnt deshalb: „Effiziente Einsparungen sind in diesem Bereich extrem wichtig.“ Leuchtdioden sind dafür nach Meinung vieler Wissenschaftler auf mittlere Sicht die beste derzeit bekannte und massenfertigungsgeeignete Technologie.
Wissenschaftler des Fachbereichs Elektrotechnik der Universität Kassel haben einen wichtigen Schlüssel dafür in der Hand, dass Europa den internationalen Forschungswettlauf um marktreife LED-Leuchtmittel gewinnt: Mit leistungsstarken Computern und Simulationsmodellen sind sie im Rahmen des europäischen Forschungsverbundprojekts SMASH der optimalen Architektur der neuartigen Dioden auf der Spur.
Derzeit übliche Leuchtdioden, die aus einer planen, kristallinen Struktur aus Halbleitermaterial bestehen und die Elektronen des hindurchgeleiteten Stroms in Lichtwellen umwandeln, strahlen schon jetzt bei gleichem Stromverbrauch bis zu zehnmal heller als Glühlampen und mehr als dreimal heller als Energiesparlampen. Handelsübliche LEDs setzen etwa 30 % der aufgenommenen elektrischen Energie in Licht um, bei der Glühlampe sind es nur 3 %. Die Forscher, die im SMASH-Projekt eng mit dem führenden europäischen Beleuchtungshersteller Osram und weiteren Firmen zusammenarbeiten, wollen mithilfe der Nanotechnik und einer neuen Architektur die Effizienz der LEDs jedoch weiter verbessern. Ziel ist es, mit noch weniger Strom, deutlich mehr Licht zu erzeugen.
Das ist nötig, sollen sich die LEDs allgemein durchsetzen und nicht wie heute für Marktnischen wie Autorückleuchten, Displays oder Verkehrsampeln reserviert bleiben. Denn die kleinen Leuchtwunder haben noch einen entscheidenden Nachteil: Sie sind als Wohnzimmer- oder Bürobeleuchtung viel zu teuer: Um die Lichtausbeute einer 60-Watt-Glühbirne zu erreichen, müsse man heute etwa 30 Euro für Leuchtdioden ausgeben, erläutert Professor Witzigmann. Das liege an den hohen Kosten für das Träger- und Halbleitermaterial der jetzigen LEDs und ihrer flachen Architektur. Grund: Die LED-Chips werden aus einem teuren Saphirsubstrat hergestellt, das mit dem ebenfalls kostspieligen Halbleitermaterial Galliumnitrid bedampft wird. Diese kleine Fläche der planen LEDs setze der Lichtausbeute enge Grenzen, so der Physiker.
Deshalb geht man jetzt neue Wege: Die am SMASH-Projekt beteiligten europäischen Wissenschaftler bauen leuchtende Türmchen statt plane Flächen, allerdings im Nanometer-Bereich (1 Nanometer= 1/1.000.000.000 Meter) und damit für das menschliche Auge unsichtbar. Statt des Saphir-Substrats verwenden sie dafür preiswerte Silizium-Substrate. Auf diesen wachsen durch eine ausgeklügelte Technologie sechseckige Kristallsäulchen mit einem Durchmesser von rund 100 Nanometern bis zu 3000 Nanometern in die Höhe. Dadurch fallen die strahlenden Oberflächen der Kristalle der neuen LED-Generation auf einer vergleichbar großen Grundfläche wie jene der jetzigen LED-Chips viel größer aus.
Die Uni Kassel liefert innerhalb dieser europaweiten experimentellen Forschung einen wichtigen Beitrag. Professor Witzigmann verarbeitet die Daten der Laborversuche in seinen Rechenmodellen. Mithilfe der Computer-Simulation optimiert er die „Hochhaus“-Strukturen. Sein Team arbeitet auch daran, dass die Säulen in den Spektralfarben Grün, Blau und Rot leuchten werden. Das Zusammenspiel dieser Farben sorgt dann dafür, dass die neuen Dioden in der Summe weißes Licht abgeben. Bisher müssen die Dioden noch mit einer fluoreszierenden Schicht überzogen werden, damit sie weiß leuchten.
Die neuen LEDs müssen zudem auch bei hoher Lichtausbeute dem Strom möglichst wenig Widerstand entgegensetzen, damit sie nicht heiß werden. „Wärme ist der begrenzende Faktor für die Lebensdauer der LEDs“, erläutert Witzigmann.
Eine Diode mit der Lichtausbeute einer 75-Watt-Birne solle im Handel künftig kaum mehr als fünf Euro kosten, dafür aber zehnmal länger als eine Glühbirne halten. Auf dem Weg von der Grundlagenforschung bis zur Produktionsreife sind jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Die Forscher wollen bis Ende 2012 ein Labormodell der neuartigen Diode bauen. Bis die Produktion der Super-Dioden anläuft, dürften deshalb noch fünf Jahre ins Land gehen, schätzt Witzigmann. Aber er ist optimistisch, dass es klappt.
(Universität Kassel / ml)