Die Situation auf dem Markt für Leiharbeit ist von Sachverständigen bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag unterschiedlich und teilweise kontrovers beurteilt worden. Während die Zeitarbeitsverbände kaum Nachbesserungsbedarf sahen, sprachen sich Vertreter der Gewerkschaften für weitere gesetzliche Regelungen aus. Gegenstand der Anhörung war eine Gesetzentwurf der Bundesregierung sowie ein weiterer Entwurf der Fraktion Die Linke.
Kritik am Gesetzentwurf der Regierung äußerte Professor Franz Josef Düwell, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Er warf der Regierung vor, ihr Entwurf enthalte schwere handwerkliche Mängel. Vor allem das Fehlen möglicher Sanktionen verstoße gegen die zugrundeliegende EU-Richtlinie. Auch die Vorgabe aus der Richtlinie, dem überlassenen Arbeitnehmer Zutritt zum Betriebsrat des Entleiherunternehmens zu gewährleisten, finde sich nicht im Entwurf der Regierung.
Oliver Burkhard von der IG Metall sah eine naturgemäße Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmung der Leiharbeitskräfte: „Einerseits werden sie in der Praxis durch schlechtere Bezahlung im Vergleich zur Stammbelegschaft benachteiligt, andererseits sind sie bestrebt, sich dauerhaft in den Unternehmen zu etablieren“. Außerdem gehe die befristete Beschäftigung von Leiharbeitern auch auf Kosten der Stammbelegschaft in den Betrieben und trage zu einer Verdrängung bei.
Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, sah ebenfalls Nachbesserungsbedarf und betonte, eine Lohnuntergrenze „bedeutet lediglich, dass es auf dem Arbeitsmarkt keine weitere Unterbietung im Lohnbereich gibt“. Ansonsten führe sie zu keiner Verbesserung der bestehenden Zustände. Buntenbach forderte „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“. Buntenbach warnte aber, dies lasse sich aber oftmals nicht über Tarifverträge lösen, da diese häufig unterboten würden. Daher bedürfe es einer gesetzlichen Klarstellung.
Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sieht hingegen eine Abstimmung unmittelbar zwischen den Tarifparteien als beste Lösung. Diese seien besser geeignet, die bestehenden Fragen zu lösen als der Gesetzgeber: „Bestes Beispiel hierfür sind die bestehenden Tarifverträge zwischen den Gewerkschaften und den Zeitarbeitsunternehmen.“
Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung setzte sich dafür ein, den Erfolg der Zeitarbeit daran zu messen, ob sie sich als Brücke in die Beschäftigung eignet. Dies treffe allerdings lediglich auf 7 bis 10 % der Beschäftigten im Zeitarbeitssektor zu, behauptete die Vertreterin des DGB.
Großes Potenzial sah Werner Stolz vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen in seiner Branche, insbesondere bei der Weiterqualifizierung. Stolz lobte die Festschreibung entsprechender Maßnahmen im bestehenden Tarifvertrag.
Äußerst kritisch beurteilte der Soziologe Hajo Holst von der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Entwicklung in der Zeitarbeitsbranche. Er führte aus, dass der Einsatz von Leiharbeitern ursprünglich als Flexibilisierungsinstrument für den Arbeitsmarkt dienen sollte. Mittlerweile diene er jedoch vor allem zur Auslagerung der Unternehmensrisiken zulasten der Arbeitskräfte. Als Gegenmaßnahme sprach Holst sich für die Einführung einer Höchstdauer der Überlassung sowie für die Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten aus.
Gerhard Bosch, Professor am Institut für Soziologie der Universität Duisburg-Essen, betonte, mit dem „dramatischen Anstieg“ des Anteils von Arbeitskräften im Niedriglohnbereich innerhalb der Zeitarbeitsbranche steige auch die Zahl der Aufstocker. Diese „fehlgeleitete Subvention“ müsse die Bundesregierung korrigieren.