Wie steht es mit der energetischen Qualität bei Neubauten? Werden die gesetzlichen Vorgaben der Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV) auf den Baustellen technisch einwandfrei umgesetzt? Immerhin müssen Bauherren für die Umsetzung teuer bezahlen. Oder ist alles beim Alten geblieben? Diesen Fragen ging das Institut Privater Bauherren (IPB) zwei Jahre nach einer ersten Untersuchung erneut nach. Das Ergebnis fiel zwar etwas besser als vor zwei Jahren aus, ist aber dennoch ernüchternd.
Das IPB untersuchte 2010 insgesamt 5231 Bauvorhaben, die von EnEV-Sachverständigen in den Regionalbüros des Verbands Privater Bauherren (VPB) bundesweit betreut wurden. VPB-Vorstandsmitglied Klaus Kellhammer verärgert: „Von den politisch gewünschten Vorgaben sind deutsche Neubauten immer noch weit entfernt.“
Die leichten Verbesserungen führt der VPB auf die inzwischen in vielen Fällen vorgeschriebene Sachverständigenberatung zurück, so z. B. dann, wenn Gelder der KfW-Bank beantragt werden. „Das schlägt sich positiv nieder“, bestätigt Bauherrenberater Kellhammer. „Die KfW hat hier die richtigen Konsequenzen aus unseren Untersuchungen vor zwei Jahren gezogen.“
Trotzdem bleibt die Bilanz der IPB-Untersuchung niederschmetternd: Der private Bauherr bekommt im Normalfall immer noch nicht, wofür er bezahlt. „Im Gegenteil: Rund 30 % aller Neubauten entsprechen überhaupt nicht den Anforderungen der Energieeinsparverordnung“, erläutert der Bausachverständige. Fast die Hälfte (49,23 %) aller EnEV-Nachweise seien falsch berechnet. In 53,1 % der untersuchten Fälle seien die Berechnungen zur Energieeinsparung auf der Baustelle technisch nicht korrekt umgesetzt worden. „Zum Beispiel werden häufig schlechtere Dämmstoffe verwendet, als den Berechnungen zugrunde lagen“, kritisiert Kellhammer. „Das führt natürlich in der Realität auch zu schlechteren Dämmwerten.“
Besonders beliebt ist sei die Masche, Maßnahmen zur Aufbesserung der energetischen Werte in die energetischen Berechnungen einfließen zu lassen, ohne diese am Bau tatsächlich auszuführen. Spitzenreiter sei hier die oftmals fehlende geprüfte Dichtigkeit (Blower-Door-Test), gefolgt von besonderen Maßnahmen zur Vermeidung von Kältebrücken (verminderter Wärmebrückenzuschlag). Das führe natürlich in der Realität auch zu schlechteren Dämmwerten. Die Folge: Energetischen Standards, wie beispielsweise der Standard Effizienzhaus 70, werden nicht erreicht und später mehr Energie verbraucht, als auf dem Papier versprochen.
Aber das ist beileibe nicht alles! „Fast jeder zweite Bauherr nutzt sein Haus wegen fehlender Informationen energetisch kontraproduktiv“, glaubt der VPB-Bausachverständige. Er und seine Kollegen machen bundesweit die Erfahrung, dass nicht einmal jeder vierte Bauherr in die energetischen Annahmen seiner Immobilie eingewiesen wird. Das sei auch kein kein Wunder, denn rund drei Viertel aller Einfamilienhäuser werden heute schlüsselfertig gekauft. „Diese Häuser sind bereits fix und fertig geplant, wenn der Käufer den Vertrag unterzeichnet, die spätere Anpassung an die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner beschränkt sich in der Regel auf die Auswahl von Böden und Fliesen“, bedauert Kellhammer. Eine Ausrichtung der Planung an den Heizgewohnheiten und Nutzungswünschen der zukünftigen Bewohner sei nicht üblich – und werde von den Käufern bislang auch nicht nachgefragt.
Moderne Häuser brauchen Gebrauchsanweisungen
Bauherrenberater Kellhammer kritisiert, dass Energieberechnungen oft unrealistisch sind, weil Bauherren nicht darüber informiert werden, wie sie mit ihrem energieoptimierten Haus umgehen müssen. Kellhammer:
„Dabei ist es ganz entscheidend für die Berechnungen, wie eine Immobilie genutzt werden soll. Ist beispielsweise der Keller als Wohn- und Arbeitsbereich vorgesehen, dann muss er auch gedämmt und konsequent beheizt werden. Dient er dagegen nur als Abstellraum, muss er gegenüber den beheizten Wohnbereichen thermisch abgeschottet werden.
Energieeinsparung, wie wir sie heute betreiben, ist echtes Feintuning. Damit das alles optimal funktioniert, müssen die zukünftigen Bewohner wissen, wo ihre Dämmungen verlaufen, welche Räume sie heizen, welche Türen sie geschlossen halten müssen – und vor allem auch, wie sie richtig lüften müssen. Ein modernes Haus braucht eine regelrechte Gebrauchsanweisung.“
„Bei der Sanierung lauern im Übrigen ähnliche Probleme“, beobachtet Klaus Kellhammer seit geraumer Zeit. Weil bei diesen Baumaßnahmen aber in der Regel individuell geplant wird, ließen sich die Probleme von erfahrenen Planern aber leichter umschiffen.
Erbost seien private Bauherren jedoch zunehmend über ein ganz anderes Problem, beobachten Klaus Kellhammer und seine Kollegen im Alltag auf der Baustelle: „Die energetischen Sanierungsmaßnahmen amortisieren sich viel langsamer, als ihnen von regierungsnahen Organisationen immer wieder vorgerechnet wird.“ Das liege zum einen daran, dass der berechnete Verbrauch nur bedingt mit dem tatsächlichen vergleichbar ist und das sanierte Haus in der Realität erheblich mehr verbrauche als auf dem Papier. Zum anderen aber würden immer wieder Wirtschaftlichkeitsberechnungen publiziert, denen ausschließlich Häuser mit jahrzehntelangem Instandhaltungsrückstau zugrunde liegen, bei denen die Kosten für Gerüst, Putz und Malerarbeiten ohnehin anfallen. Der relative Mehraufwand für die eigentliche Dämmung falle dann rechnerisch nur gering aus.
„Mit dieser geschönten Summe werden die Bauherren gelockt“, kritisiert Kellhammer. Die Wirklichkeit sehe ganz anders aus. „Kein Bauherr wohnt in einer solchen Ruine, dass der Putz von der Fassade blättert. Im Gegenteil: Die meisten Hausbesitzer pflegen ihr Heim und erhalten es.“ Solche Häuser bräuchten deshalb keine Totalsanierung der Fassaden. Wer energetisch saniere, müsse deshalb bei der Berechnung der Amortisierung alle auftretenden Nebenkosten berücksichtigen. Das seien neben der eigentlichen Wärmedämmschicht zusätzlich noch die Kosten für das Gerüst, für Putz, Malerarbeiten, für die Anschlüsse, die neuen Fensterbänke, eventuell neue Rollladenkästen, das neuerliche Montieren von Außenlampen, das Anschließen von Geländern an Eingängen und Balkonen und etliche Details mehr.
„Weil aber alle diese Aspekte in den Modellrechnungen nicht berücksichtigt werden, geht der sanierungswillige Hausbesitzer von völlig falschen Voraussetzungen aus und erschreckt zu Recht über die tatsächlichen Kosten“, mahnt der VPB-Sachverständige und resümiert: „Das ist der Sache nicht dienlich und verärgert unnötig Menschen, die die Klimaziele eigentlich umsetzen und alles richtig machen möchten.“ Der VPB plädiert deshalb für realistische Modellrechnungen, damit Bauherren wissen, was tatsächlich an Kosten auf sie zukommt und wie lange die Amortisierung dauert.