Die Zufriedenheit der deutschen Mittelständler mit dem Standort Deutschland hat eine neue Höchstmarke erreicht. Auch für die Rahmenbedingungen in ihrer Region finden die Unternehmer überwiegend lobende Worte. Am zufriedensten sind die Unternehmer in Bayern: Der Freistaat belegt in drei von vier Kategorien den ersten Platz im Bundesländer-Ranking. Baden-Württemberg hingegen leidet unter dem Vertrauensverlust, den die Proteste um Stuttgart 21 im Mittelstand auslösten. So jedenfalls lauten die Ergebnisse des Mittelstandsbarometers 2011 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Für die halbjährliche Studie wurden 3000 mittelständische deutsche Unternehmen befragt.
Laut Umfrage halten 77 % der mittelständischen Unternehmen die bundesweite Politik für den Standort Deutschland für „gut“ oder „eher gut“. Damit erreicht die Zufriedenheit der Unternehmen einen neuen Höchststand. Im vergangenen Jahr hatten sich 69 % lobend geäußert, 2005 lag der Anteil hingegen beispielsweise nur bei 10 %.
Auch die regionalen Rahmenbedingungen für Unternehmen in Deutschland werden so gut bewertet wie seit Beginn der Befragungen im Jahr 2003 nicht mehr. Fast neun von zehn Unternehmern (89 %) sind mit den Gegebenheiten vor Ort zufrieden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag der Anteil bei 84 %, im Krisenjahr 2009 bei 76 %.
„Die Unternehmer honorieren, dass Deutschland so gut durch die Wirtschaftskrise gekommen ist und dass die deutsche Wirtschaft sich so spektakulär gut entwickelt“, erklärt Peter Englisch, Leiter Mittelstand und Partner bei Ernst & Young die hohe Zufriedenheit. Die Stimmung habe sich zudem sowohl im In- als auch im Ausland gewandelt: „Im Ausland bestaunt man das deutsche Jobwunder und die Kraft, mit der sich Deutschland zur Wachstumslokomotive Europas entwickelt hat.“ In Deutschland hätten die Unternehmer sogar ein neues Selbstbewusstsein entwickelt: Man sehe wieder die Vorzüge und Stärken des Standorts. Von den früheren Klagen über den Hochlohnstandort Deutschland und die angebliche deutsche Basarökonomie sei nichts mehr zu hören.
Ein Ende des deutschen Aufschwungs sei nach wie vor nicht absehbar, so Englisch. Der Experte warnt aber vor Euphorie: „Auch wenn der Standort Deutschland sich als sehr krisenfest erwiesen hat und sich mit seinem überdurchschnittlichen Wachstum positiv von vielen anderen europäischen Ländern abhebt: Die Herausforderungen, denen der Standort ausgesetzt ist, haben eher noch zugenommen“. Die Konkurrenz seitens der aufstrebenden Schwellenländer werde weiter an Intensität gewinnen und der Wettbewerb härter. Eine Lektion aus der Wirtschafts- und der anschließenden europäischen Schuldenkrise laute: „Weniger wettbewerbsfähige Länder werden gnadenlos abgestraft und fallen zurück – eine wirtschaftliche Erholung im Kielwasser des weltweiten Aufschwungs wird zukünftig kaum noch möglich sein.“ Englisch ist überzeugt, dass die Globalisierung nicht nur Gewinner produziert, sondern vielmehr „eine stetig wachsende Zahl hungriger Wettbewerber“.
Für Deutschland heiße das: „Deutschland ist ein Premiumstandort, dessen Stärken im Bereich innovativer, zukunftsweisender Produkte liegen. Von hier aus müssen neue Technologien vorangetrieben werden, und die heimischen Unternehmen müssen in puncto Qualität und Innovationskraft führend bleiben“. Voraussetzung dafür sei aber eine exzellente Qualifikation und Motivation der Arbeitskräfte, so Englisch., denn Deutschlands Führungsposition bei Qualität von Forschung und Entwicklung sei nicht in Stein gemeißelt. „In China und Indien verlassen immer mehr hervorragend qualifizierte Ingenieure die Hochschulen. Und der Zustand des deutschen Bildungssystems gibt Anlass zur Sorge.“ Nur mit einer deutlichen Steigerung der Qualität von Bildung und Ausbildung könne die Innovationskraft Deutschlands erhalten werden. Englisch warnt daher vor Selbstzufriedenheit.
Die Zufriedenheit der Unternehmer mit den Rahmenbedingungen in ihrer Region erreicht in diesem Jahr mit 89 % eine neue Rekordmarke – 2010 lag der Anteil bei 83 %, im Jahr 2005 äußerten sich hingegen nur 55 % positiv über ihren Standort.
Am zufriedensten sind laut Umfrage die Unternehmer in Bayern: Der Freistaat belegt in drei von vier Kategorien den ersten Platz im Bundeslandranking, in einer Kategorie reicht es immerhin für den zweiten Rang. Mit den allgemeinen Rahmenbedingungen im Freistaat sind 93 % der Unternehmer zufrieden (Platz 1 vor Baden-Württemberg und Hessen). Ebenfalls den ersten Platz belegt Bayern in der Kategorie Bildungspolitik mit einer Zustimmungsquote von 81 %. Hinter Bayern rangieren Baden-Württemberg und Hessen auf den Plätzen zwei und drei. In der Kategorie Förderpolitik belegt Bayern gemeinsam mit Niedersachsen den ersten Platz vor Baden-Württemberg. Auch für seine Mittelstandspolitik erhält die bayerische Landesregierung die besten Noten – vor Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die sich den zweiten Platz teilen. Nur in der Kategorie Infrastruktur schiebt sich Hamburg knapp vor Bayern.
„Bayern geht in diesem Jahr als unangefochtener Sieger aus dem Vergleich hervor“, stellt Englisch fest. „Die Zufriedenheit der Unternehmer ist in fast allen Bundesländern deutlich gestiegen, erreicht aber in keinem anderen Land ein so hohes Niveau wie in Bayern“. Ebenfalls deutlich besser als im vergangenen Jahr schneiden Hamburg, Hessen und Mecklenburg Vorpommern ab. Nur in Schleswig-Holstein und in Sachsen-Anhalt ist die Zufriedenheit zurückgegangen.
Während in den Bereichen Bildungspolitik, Förderpolitik und Mittelstandspolitik ein klarer Aufwärtstrend zu sehen ist und die Zufriedenheit der Unternehmer jeweils in den meisten Bundesländern gestiegen ist, trifft die Infrastrukturpolitik in der Mehrheit der Länder auf geringere Zustimmung als im Vorjahr. Der Anteil der uneingeschränkt positiven Bewertungen sinkt im Vergleich zu 2010 von 53 auf 41 %. Nur in einem Bundesland (Rheinland-Pfalz) ist die Zustimmung gestiegen – alle anderen Länder bekommen ein schlechteres Zeugnis ausgestellt. Am stärksten betroffen sind Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg: Baden-Württemberg fällt im Länderranking vom zweiten auf den siebten Platz zurück, Schleswig-Holstein vom 13. auf den 16. Platz.
Grund für die gesunkene Zufriedenheit mit der Infrastrukturpolitik ist laut Peter Englisch vor allem die Diskussion um das Bahnprojekt Stuttgart 21: „Viele Unternehmer machen sich Sorgen, dass große Infrastrukturprojekte zukünftig kaum noch umsetzbar sein werden“, so der Experte. Dabei sei es von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung und Zukunft der Regionen und die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland insgesamt, dass Deutschland über eine zeitgemäße Verkehrsinfrastruktur verfügt. Auch der Ausbau erneuerbarer Energien werde einen erheblichen Umbau der Infrastruktur voraussetzen „und voraussichtlich auf weitere Proteste betroffener Bürger stoßen“.
Die aktuelle Studie steht als kostenloser Download online zur Verfügung.
(Ernst & Young / ml)