Deutschland ist noch immer ein Touristenmagnet und arbeitete sich in diesem Jahr im Ranking der globalen Tourismusstudie Travel & Tourism Competitiveness Report 2011 sogar vom dritten auf den zweiten Platz vor. Die Kehrseite des deutschen Aufstiegs: Unser Nachbarland Österreich, das im letzten Ranking (2009) den jetzt von Deutschland eingenommenen Platz zwei innehatte, fiel nun auf Platz vier zurück. Neben Deutschland ist auch Frankreich einer der Gewinner der vom World Economic Forum und der internationalen Strategieberatung Booz verantworteten Langzeit-Studie. Belegte das westeuropäische Land 2008 noch Rang zehn, nimmt es inzwischen Rang drei im internationalen Vergleich ein.
Bereits zum vierten Mal erstellte das World Economic Forum zusammen mit Booz & Company die globale Tourismusstudie. Das daraus resultierende Ranking der 139 untersuchten Staaten wurde gestern im Vorfeld der Touristikmesse ITB (9. bis 13. März in Berlin) vorgestellt. Im Fokus der Analyse stehen die Rahmenbedingungen der jeweiligen Reiseindustrien in den Bereichen Sicherheit und Gesundheit, Infrastruktur, Preisniveau, kulturelles Angebot, Umweltschutz sowie gesetzliche Regulierung.
Deutschland profitierte bei der Bewertung von langfristigen und kontinuierlichen Investitionen in nachhaltige Tourismuskonzepte und Umweltschutzinitiativen. Vor allem kulturelle und landschaftliche Ressourcen wie das Wattenmeer, das seit 2009 UNESCO Naturerbestätte ist, sind ein wichtiger Bestandteil der Reisedestination Deutschland.
Überflieger Frankreich setzt seit 2008 auf eine neu formulierte nationale Tourismusstrategie, die neue Besuchersegmente, beispielsweise aus dem Mittleren Osten und Asien, anziehen soll. Dafür wurde in Hotelmodernisierungen, die Überarbeitung der Hotelklassifizierungen und in internationale Marketingaktivitäten investiert. Um die Folgen der Wirtschaftskrise abzufedern, unterstützt der französische Staat die Reiseindustrie zudem durch eine drastische Senkung der Mehrwertsteuer für Tourismusdienstleistungen.
Allerdings ist die Situation für die klassischen Reiseziele alles andere als rosig. Jürgen Ringbeck, Senior Partner und Tourismusexperte bei Booz & Company warnt: „Für die etablierten Reiseziele ist eine Bewahrung des Status quo mit Sicherheit keine zukunftsfähige Strategie, um sich gegen neue, aufstrebende Urlaubsregionen aus Osteuropa, dem Mittleren Osten oder aus Asien zu behaupten. Für diese dynamischen Regionen haben wir in der Studie deutlich überdurchschnittliche strukturelle Verbesserungen festgestellt.“
Deshalb verschiebt sich der Schwerpunkt im Tourismussektor weg von den etablierten Regionen wie Europa und Nordamerika Richtung Osten. Im asiatisch-pazifischen Raum nahmen die internationalen Touristenankünfte von 2000 bis 2010 etwa doppelt so schnell zu (85 %) wie im weltweiten Schnitt (39 %). China, laut UNWTO in 2010 bereits das am drittmeisten besuchte Land gemessen an internationalen Touristenankünften, ist für diese Entwicklung ein entscheidender Wachstumstreiber. Die Ergebnisse der aktuellen Studie spiegeln diese überdurchschnittliche Dynamik wider: Die Volksrepublik machte in den vergangenen vier Jahren 23 Plätze gut und liegt nun bereits auf Rang 39. Das Land profitiert erheblich von den strategischen Investitionen in die Infrastruktur und die Tourismusindustrie – nicht zuletzt für die Expo 2010 in Shanghai sowie für die Olympischen Spiele in Peking 2008. Allerdings bringen das rasante Wirtschaftswachstum im bevölkerungsreichsten Land der Erde und natürlich die Folgen des Tourismusbooms auch ökologische Probleme mit sich. „Das schiere Wachstum steht hier häufig im Vordergrund der Strukturpolitik. Umweltschutz und sanfte Tourismuskonzepte haben meist noch das Nachsehen. Beim Thema Nachhaltigkeit weisen viele Regionen erheblichen Aufholbedarf auf“, so Ringbeck.
Aber auch traditionelle nordafrikanische Destinationen wie Tunesien und Ägypten fallen im Ranking zurück, da ihre Entwicklung stagniert und sie von aufstrebenden Ländern überholt werden. So liegt Ägypten derzeit auf Platz 75, hat aber über die letzten vier Jahre bereits sieben Plätze verloren. Tunesien nimmt aktuell Rang 47 ein. Das Königreich Bahrein (2011: Rang 40) hingegen konnte seit 2008 acht Plätze gut machen. Und Oman legte zuletzt sogar 15 Plätze (2011: Rang 61) zu. Die aktuellen politischen Unruhen in vielen nordafrikanischen bzw. arabischen Ländern können die Gesamtsituation zumindest kurzfristig negativ beeinflussen. So wurde beispielsweise ein touristisches Großereignis, das für März in Bahrein geplante Formel-1-Rennen, abgesagt. „Kommt es allerdings zu einer politischen Stabilisierung, verbunden mit einer weiteren Marktöffnung, könnte sich das positiv und nachhaltig auf die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Staaten auswirken“, so das Fazit von Ringbecks zu den jüngsten politischen Ereignissen.
Immerhin ist Europa in den Top 10 derzeit noch immer stark vertreten. Allein sieben europäische Reiseländer können einen Platz in der Spitzengruppe behaupten. Deutlich auf der Verliererseite der europäischen Tourismusnationen stehen allerdings Griechenland und Portugal. Die Ergebnisse für die beliebten Urlaubsländer spiegeln in erheblichem Maße die Folgen der Wirtschafts- und Verschuldungskrise wider, von der beide Destinationen besonders betroffen sind. Griechenland setzen beispielsweise die Auswirkungen von Generalstreiks auf den Flugverkehr und damit auf das Gastgewerbe zu. Portugal büßte vor allem aufgrund fehlender Mittel für dringend nötige Infrastruktur-Investitionen im Vergleich zu 2008 drei Plätze ein und belegt damit nur noch Rang 18. Griechenland findet sich nach Rang 22 (2008) in der aktuellen Liste nur auf Platz 29 wieder.
Ein echter Gewinner der diesjährigen Studie ist Montenegro. Der Balkanstaat verankert Umweltschutz sogar in der Verfassung, setzt auf nachhaltige Hotelentwicklung und etabliert seine Bergregionen als beliebte Wander- und Skiziele. Die bewusste Entscheidung gegen einen Massentourismus, wie ihn beispielsweise Spanien in den 80er Jahren vorangetrieben hat, ermöglicht dem Land einen Sprung von Platz 59 im Jahr 2008 auf Rang 36 in der aktuellen Studie.
Die (englischsprachige) Studie Travel & Tourism Competitiveness Report 2011 steht als kostenloser Download im Internet zur Verfügung.
(Booz & company/ml)