Die möglichen Konsequenzen für den deutschen Arbeitsmarkt aus der zum 1. Mai in Kraft tretenden Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union bewerten die Experten höchst unterschiedlich. Das wurde bei der Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag deutlich. Gegenstand der Anhörung waren je ein Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände rechnet in ihrer Stellungnahme nicht damit, dass es nach dem 1. Mai 2011 zu Nachteilen auf dem deutschen Arbeitsmarkt kommt. Mit einem großen Ansturm auf den deutschen Arbeitsmarkt sei jedenfalls nicht zu rechnen, da „der wirtschaftliche Aufholprozess in den EU-8-Staaten so dynamisch fortschreitet.“
Vor Lohndumping durch die Öffnung des Arbeitsmarktes, „insbesondere in Branchen mit niedriger Tarifbindung“ warnte hingegen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Er nützte die Gelegenheit, erneut die Einführung „eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro“ sowie eine „flächendeckende Kontrolle der Einhaltung von Mindestlöhnen und weiterer Arbeitsbedingungen“ zu fordern. Hierfür sei eine erweiterte Dokumentationspflicht für den Arbeitgeber notwendig.
Der Deutsche Rentenversicherung Bund schreibt in der Stellungnahme, die Scheinselbstständigkeit sei vor allem „als Reaktion auf die Freizügigkeitsbeschränkung für Arbeitnehmer aus den zum 1. Mai 2004 beigetretenen osteuropäischen Ländern aufgetreten“. Da diese Beschränkungen mit dem 1. Mai 2011 entfielen, „dürfte sich das Problem der Scheinselbstständigkeit ab diesem Zeitpunkt zumindest reduzieren“.
Das Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte betont in seinem Papier, insbesondere in Branchen wie Bau oder Pflege zeige sich in der Beratungspraxis, dass trotz der Geltung des allgemeinverbindlichen Mindestlohns rechtliche Lücken bestünden, die durch Unternehmen „häufig und gerne“ genutzt würden, um die Mindestlohngrenze zu unterschreiten.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bezeichnet Forderungen, die Löhne von Leiharbeitnehmern nach einer gewissen Frist an die Bezahlung der Kollegen in den Entleihbetrieben anzupassen, zwar als ”nachvollziehbar“. Eine vollständige Anpassung nach einer festgelegten Frist berge jedoch den gravierenden Nachteil, dass diese ein Umgehungsverhalten seitens der Zeitarbeits- und Entleihbetriebe fördere. Daher schlägt das IAB eine sukzessive Anpassung der Löhne vor.