Angesichts der anhaltend guten Konjunkturentwicklung erwartet fast jeder zweite deutsche Einzelhändler für das laufende Jahr eine bessere Geschäftsentwicklung als im Vorjahr – nur 3 % befürchten eine Verschlechterung. Besondere Hoffnungen setzen die Händler auf Zusatzerlöse aus dem Internetvertrieb, dessen Anteil am Umsatz sich binnen fünf Jahren verdoppeln soll. Das ergab eine Umfrage des Beratungsunternehmens Ernst & Young unter 120 führenden Einzelhändlern und Konsumgüterproduzenten sowie 1100 deutschen Verbrauchern.
In der Umfrage zum aktuellen Handelsbarometer beschreiben 71 % der Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als gut, im Oktober 2010 lag der Anteil bei 61 %. Und von den kommenden Monaten versprechen sich die Manager weitere Umsatzsteigerungen: 50 % prognostizieren eine leichte Verbesserung ihrer Lage, weitere 8 % sogar eine deutliche Belebung des Geschäfts. Der Grund für den Optimismus der Branche liegt in der deutlichen Verbesserung des Konsumklimas in den vergangenen Monaten.
Fast jeder zweite Händler (46 %) erwartet außerdem einen weiteren Anstieg der Kauflust – nur 6 % sehen eher einen Rückgang der Konsumbereitschaft. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne steigen und viele Unternehmen zahlen Gratifikationen und Sonderboni aus. Zudem ziehen viele Arbeitgeber Tariferhöhungen vor. „All das führt dazu, dass die Menschen mehr Geld im Portemonnaie haben. Die Kauflaune müsste also weiter steigen“, glaubt Thomas Harms, Partner bei Ernst & Young und Leiter des Bereichs Retail & Consumer Products.
Die Auswirkungen der Atom-Katastrophe in Japan auf die Konsumentenstimmung in Deutschland werden sich nach Harms‘ Erwartung in Grenzen halten. Deutlich stärker ins Gewicht fallen könnten hingegen die hohen Kraftstoffpreise sowie steigende Nahrungsmittelpreise: „Die stark steigende Inflation könnte viel von der zusätzlich zur Verfügung stehenden Kaufkraft aufzehren und insgesamt auf die Stimmung drücken“, befürchtet Harms.
Große Hoffnungen setzen die Unternehmen vor allem auf den anhaltenden Aufschwung im Online-Handel, an dem sie zunehmend partizipieren wollen. Derzeit sind zwei Drittel der befragten Einzelhändler mit eigenen Shops im Netz präsent. Die meisten von ihnen wollen ihre Internet-Aktivitäten weiter ausbauen. Durchschnittlich erwirtschaften die befragten Unternehmen derzeit 4,4 Prozent ihres Umsatzes im Netz – in fünf Jahren sollen es nach Erwartung der Unternehmen 9,0 Prozent sein.
Vor allem in den Bereichen Bekleidung, Unterhaltungselektronik und Schuhe bietet der Vertriebsweg Internet nach Ansicht der Unternehmen besonders große Wachstumschancen. Eher geringes zusätzliches Potenzial für den Online-Vertrieb sehen die Manager hingegen bei Lebensmitteln, Baumarktartikeln, Schmuck sowie Medikamenten und Drogerieartikeln. Viele etablierte Einzelhändler haben den Einstieg in den Online-Vertrieb lange hinausgezögert. In der Zwischenzeit haben neue Marktteilnehmer die Lücke gefüllt und sich zu starken Marken im Netz entwickelt.
Nach Ansicht der Unternehmen bietet das Netz aber auch Neueinsteigern durchaus noch Potenzial – vor allem in den Segmenten Bekleidung, Sportartikel, Spielzeug, Schuhe und Unterhaltungselektronik. Als Stolperstein für Einzelhändler könnte sich der gnadenlose Preiskampf im Netz erweisen: Für 80 % der Verbraucher spielt der Preis eine große Rolle beim Online-Kauf. Auf Service- und Beratungs-Leistungen legen hingegen nur 34 % der Verbraucher größeren Wert. „Im Netz gelten eigene Regeln“, stellt Harms fest. „Der Preis ist das mit Abstand wichtigsten Kaufargument.“ Wer ein größeres Stück vom Kuchen haben möchte, müsse deshalb in den Preisvergleichsportalen auf den vorderen Plätzen auftauchen. Bessere Karten als bei der Unterhaltungselektronik hätten Händler im Bereich Kleidung.
Harms warnt jedoch: „Online-Shopper sind inzwischen gewohnt, dass sie ihre Einkäufe unkompliziert erledigen können und die Ware sehr schnell geliefert wird“. Das stelle höchste Anforderungen an Logistik und Lagerhaltung. Gleichzeitig seien die Margen beispielsweise in den Segmenten Unterhaltungselektronik, Haushaltswaren und Spielzeug aufgrund der hohen Transparenz und des harten Preiskampfs sehr niedrig. Entsprechend hoch sind die Investitionen, die ein Unternehmen beim Einstieg in den Online-Handel zu stemmen hat:
Eine weitere Hürde: Im Netz sind sie ein Händler unter vielen und müssen sich immer wieder der Konkurrenz stellen. „Händler, die der Verbraucher aus der Fußgängerzone kennt, sind beim Online-Kauf nicht automatisch die erste Wahl“, warnt Harms deshalb. Nur 21 % der Befragten bevorzugen beim Online-Einkauf generell solche Händler, die sie bereits als stationäre Händler kennen.
Weitere Ergebnisse der Umfrage können einer Präsentation der Studie Handelsbarometer entnommen werden. Die Präsentation steht als kostenloser Download online zur Verfügung.
(Ernst & Young / ml)