Die Menschheit braucht immer mehr Energie. Doch woher nehmen? Während die klimaschonende Atomenergie auf Dauer zu riskant ist, schädigen fossile Brennstoffe durch ihre Emissionen das Klima. Neben nachwachsenden Brennstoffen gelten einzig Sonnen-, Wind- und Wellenenergie zugleich als risikoarm, unbegrenzt verfügbar und klimaunschädlich. Aber stimmt das uneingeschränkt? Nein, sagen Jenaer Wissenschaftler. Besonders bemerkenswert ist ihr Forschungsansatz, mit Hilfe der Gesetze der sogenannten Thermodynamik – einem Teilgebiet der klassischen Physik – erstmals eine quantitative Aussage über die Grenzen erneuerbarer Energien und deren Auswirkungen auf das Klima zu wagen.
Wie erwartet zeigen die Analysen der Jenaer Wissenschaftler, dass die Energie aus Wind und Wellen nur begrenzt verfügbar ist. Überraschender ist die Erkenntnis, dass auch eine großflächige Nutzung dieser Energiequellen möglicherweise negativ auf das Klimasystem zurückwirkt. Solarenergie könnte hingegen den zunehmenden menschlichen Energiebedarf auf der Erde langfristig und klimafreundlich abdecken, vermuten die Wissenschaftler.
Grundsätzlich sind diese Erkenntnisse nicht ganz neu. Bisher wagte aber noch niemand, dazu auch quantitative Angaben zu machen. Anders die Forschungsgruppe Biosphärische Theorie und Modellierung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie. Der Leiter des Teams, Dr. Axel Kleidon, unterscheidet in der Jenaer Analyse nach den Gesetzen der Thermodynamik zwischen Wärmeenergie und sogenannter Freier Energie. Sein Argument für diese Herangehensweise: „Nur die Freie Energie ist relevant für die Nutzung erneuerbarer Energien“, denn nur dieser Energieanteil ist in der Lage physikalische Arbeit zu verrichten.
Die natürlichen Grenzen für die Erzeugung von Freier Energie aus natürlichen Quellen auf der Erde wurden bisher aber kaum beachtet und in der aktuellen Forschung zum Klimawandel und Erneuerbaren Energien stark vernachlässigt. Kleidon und seine Gruppe konnten nun dank dieses Ansatzes berechnen, dass die Fähigkeit des Systems Erde, unterschiedliche Formen Freier Energie zu erzeugen, auf ungefähr 1000 Terawatt begrenzt ist. „Nur etwa 0,6 % der immensen Energiemenge von etwa 160.000 Terawatt Sonnenenergie, die als Strahlung die Erde erreicht, kann also als Freie Energie genutzt werden“, warnt Kleidon. Allerdings: Derzeit werden vom Menschen nur maximal 50 Terawatt Freier Energie verbraucht.
Aus thermodynamischer Sicht zeigt sich auch, dass verschiedene Arten erneuerbarer Energien unterschiedlich stark begrenzt sind. So werde Wellen im Wesentlichen durch Wind erzeugt; Wind entsteht wiederum indirekt durch Wärmegradienten und somit letztlich aus der Sonnenenergie.
Das aber bedeutet wiederum: Durch die schlechte Energieumwandlung der Sonnenenergie und wegen ihrer Abhängigkeiten vom Klimasystem sind die erneuerbaren Energiequellen Wind und Wellen nur in begrenzter Stärke produzierbar. Ein deutlich erhöhter Verbrauch dieser Energieformen – im Rechenbeispiel durch eine 1000fache Aufstockung heute existierender Anlagen – könnte nicht aufgefüllt werden und in der Folge sogar zu Rückkopplungen mit dem Klimasystem der Erde führen. Der Verbrauch der begrenzten Wind- und Wellenenergie würde dann über das Klimasystem die Regeneration dieser Energieformen zusätzlich drosseln.
Deutlich besser sieht es bei der Nutzung von Solarenergie aus. Die pflanzliche Photosynthese oder auch Solarkraftwerke können das Sonnenlicht direkt nutzen, um Freie Energie zu produzieren. Trifft die Sonnenstrahlung hingegen ungehindert auf die Erde und erwärmt lediglich den Boden, so ist die Freie Energie der Sonnenergie größtenteils verschwendet. „Damit erhöhen die Photosynthese und Solarzellen die Gewinnung Freier Energie innerhalb des Erdsystems“, erläutert Kleidon. Derzeit werden nur etwa 5 % der als Freie Energie nutzbaren Sonnenenergie von der Menschheit verbraucht. Fazit: Diese Energiequelle könnten noch viel stärker genutzt werden – wenn auch nicht grenzenlos.
Weitergehende Informationen zum Thema bietet der englischsprachige wissenschaftliche Artikel Maximum entropy production in environmental and ecological systems. Der Beitrag steht als kostenloser Download zur Verfügung.