Die deutsche Biotech-Branche ist wieder auf Wachstumskurs: Im Jahr 2010 konnten jene Biotech-Unternehmen, die ihren Stammsitz in Deutschland haben, den Umsatz durchschnittlich um 7 % auf insgesamt 1,06 Milliarden Euro steigern. Auch die Zahl der Beschäftigten stieg um 2 % auf gut 10.000, während die Zahl der Unternehmen mit 400 praktisch auf dem Niveau des Vorjahres lag. Auch die Finanzierungssituation der Branche hat sich im vergangenen Jahr gemessen an den Investitionsvolumina deutlich verbessert, bleibt aber angespannt. Zu diesen Ergebnissen kommt der zwölfte Deutsche Biotechnologie-Report der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young.
Im Vergleich zu 2009 stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung um 4 % auf 809 Millionen Euro. „Das ist ein wichtiges Signal. Es zeigt, dass die Biotech-Branche als Innovationsmotor wieder Fahrt aufnimmt“, lobt Siegfried Bialojan, Leiter des Life Science Industriezentrums bei Ernst & Young und Autor der Studie, die aktuelle Entwicklung.
Insgesamt ist die Zahl der Wirkstoffe in der Medikamenten-Entwicklung bei den deutschen Biotech-Unternehmen um 2 % auf 344 gestiegen. In der aus Wertschöpfungssicht wichtigen klinischen Prüfung – also in den Phasen I bis III – befinden sich derzeit mit 151 Wirkstoffen mehr Projekte als im Vorjahr (141). Drei Produkte befanden sich 2010 in der Zulassungsphase (2009: 2), neue Zulassungen waren allerdings nicht zu verzeichnen, nachdem im Jahr 2009 drei neue Medikamente den Markt erreicht hatten.
Gemessen an der Höhe der Investitionen hat sich die Finanzierungssituation der deutschen Biotech-Branche im Jahr 2010 nach zwei Krisenjahren signifikant verbessert. Im Jahr 2007 waren noch 456 Millionen Euro in die Branche geflossen, 2008 war die Eigenkapitalfinanzierung dann zunächst um 45 % und 2009 um weitere 46 % eingebrochen. 2010 brachte hingegen eine deutliche Trendwende: Mit 421 Millionen Euro an Eigenkapital flossen rund 200 % mehr als im Vorjahr in die Branche. Damit hat die Finanzierung inzwischen wieder etwa 90 % des Vorkrisenniveaus erreicht.
Am meisten investierten Risikokapitalgeber in die deutsche Biotech-Branche: So flossen in nicht gelistete Biotechnologie-Unternehmen 279 Millionen Euro, mithin 244 % mehr als im Vorjahr. Börsennotierte Gesellschaften konnten 143 Millionen Euro an zusätzlichem Kapital aufnehmen, ein Plus von immerhin 164 % gegenüber 2009.
Wie in Deutschland hat sich auch in Europa der Zufluss von Risikokapital in die Branche erhöht, und zwar um ein Drittel auf 1014 Millionen Euro. Europaweit war – anders als in Deutschland – bei Sekundärfinanzierungen börsennotierter Unternehmen ein, wenn auch nur minimaler, Rückgang von 1,35 auf 1,33 Milliarden Euro zu verzeichnen. Gleichzeitig gelang es aber, bei zehn Börsengängen insgesamt 165 Millionen Euro aufzunehmen. In Deutschland gab es hingegen seit 2006 keinen Biotech-Börsengang mehr.
Trotz der insgesamt sehr erfreulichen Zahlen leidet die Branche aber nach wie vor unter erheblichen Finanzierungsproblemen. Die Zahl der klassischen Venture Capital Fonds ist rückläufig, und das Fund Raising ist nach wie vor extrem schwierig. „Die Finanzierungssituation der Branche bleibt angespannt“, warnt Bialojan.
Transkationen haben in den letzten Jahren – auch aufgrund massiver Veränderungen in der Pharmaindustrie – an Bedeutung gewonnen. Vor allem im Zusammenhang mit den erschwerten Finanzierungsbedingungen setzen Biotech-Unternehmen stärker auf die Zusammenarbeit mit Partnern in unterschiedlichen Geschäftsmodellen. In Deutschland haben daher Allianzen zwischen Biotech- und Pharma-Unternehmen 2010 zugenommen. Vor allem gab es mehr Auslizenzierungen von Technologien sowie Dienstleistungsverträge. Der Vertrag zwischen Cellzome und GlaxoSmithKline sei – so Bialojan – ein herausragendes Beispiel für eine frühe Partnerschaft mit erheblichem Potenzial.
(Ernst & Young / ml)