Eine von der in den Medien vielfach kolportierten Meinung deutlich abweichende Mehrheitsmeinung zum Streikrecht brachte eine repräsentative Allensbach-Umfrage unter knapp 1800 Bundesbürgern an den Tag: Danach sind die weitaus meisten Deutschen gegen ein uneingeschränktes Streikrecht, vor allem in sensiblen Bereichen, wie bei der Bahn und im Gesundheitswesen. Außerdem geht fast die Hälfte der Deutschen davon aus, dass die wirtschaftlichen Schäden durch Streiks in den letzten Jahren zugenommen haben. Dennoch hält ebenfalls eine Mehrheit die Gewerkschaften im Prinzip für nötig, wenn auch reformbedürftig.
Wie die von der Carl-Friedrich von Weizsäcker-Stiftung (CFvW) in Auftrag gegebene umfrage ergab, sind 72 % aller Befragten für Einschränkungen oder ein Verbot von Streiks bei Beschäftigten in Krankenhäusern. Für ein eingeschränktes Streikrecht bei der Bahn und im Luftverkehr sprechen sich jeweils 60 % aus. Fast jeder Zehnte (9 %) ist sogar für ein völliges Streikverbot bei Fluggesellschaften und Flughäfen. Für die Bahn fordern 14 % der Befragten ein solches Verbot. Gegen jede Beschränkungen des Streikrechts bei der Bahn und im Luftverkehr Bereichen sind zwar immerhin 30 %, im Krankenhaussektor hält jedoch nur jeder Fünfte (21 %) ein grenzenlosese Streikrecht für vertretbar.
Die Bundesbürger sind auch durchaus sensibler für die wirtschaftlichen Schäden, als viele Gewerkschaften glauben. Nahezu jeder zweite Deutsche (45 %) ist überzeugt, dass die durch Streiks verursachten Kosten heute höher liegen als noch vor wenigen Jahren. Das führt allerdings nicht zu einer undifferenzierten und simplen Ablehnung der Gewerkschaften als gesellschaftlich notwendige Kraft, sondern lediglich zur Überzeugung, dass sich die Gewerkschaften besser an die heutigen Verhältnisse anpassen sollten (37 %). Lediglich 10 % halten die Gewerkschaften für überflüssig.
Als wichtigste Aufgabe der Gewerkschaften bezeichneten 61 % der Befragten die Durchsetzung höherer Löhne. Auf den folgenden Plätzen landeten die Aufgaben Durchsetzung eines besseren Kündigungsschutzes (47 %), Besserstellung von Leiharbeitern (42 %),Verbesserung der Arbeitsbedingungen (40 %) und Verbesserung der Sozialleistungen (31 %). Die Durchsetzung kürzerer Arbeitszeiten sieht heute nur noch jeder Zehnte als wichtiges Ziel der Gewerkschaften.
Jeder zweite Deutsche spricht sich für Branchengewerkschaften und branchenbezogene Tarifverträge aus. Nur ein knappes Viertel findet unterschiedliche Tarifverträge für einzelne Berufsgruppen einer Branche besser. Eine Mehrheit ist auch davon überzeugt, dass Spartengewerkschaften die Interessen der Arbeitnehmer gezielter vertreten können. Nur 14 % sind für eine Einheitsgewerkschaft für alle Arbeitnehmer.
Neben der Allensbach-Umfrage hat die Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung ein Professoren-Gremium beauftragt, Regelungsvorschläge für Arbeitskämpfe in Unternehmen der Daseinsvorsorge zu erarbeiten. „Damit wollen wir die Basis für einen gesellschaftlichen Diskurs schaffen, bei dem alle Optionen zur Diskussion gestellt werden“, begründet Dr. Frank Meik, Kurator der Weizsäcker-Stiftung (Zukunft der Arbeit) die Initiative. Die Regelungen sollen sowohl das Streikrecht auch von Berufsgewerkschaften sichern als auch das ungestörte Funktionieren von Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge sicherstellen. Der Entwurf der Arbeits- und Verfassungsrechtler soll im Herbst vorgelegt werden.