Paradox: Obwohl die Wirtschaft boomt, steigt das Interesse der Deutschen an der Gründung einer eigenen Firma. Bisher galt immer: je besser die Wirtschaft, desto weniger Arbeitslose, desto weniger Gründer. Nach der Krise aber scheint manches anders geworden zu sein. Was sich alles in diesem Bereich verändert hat, beschreibt der neue Gründerreport des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Er basiert auf Daten aus über 361.058 Gründungsgesprächen der Industrie- und Handelskammern (IHKs) mit angehenden Unternehmern.
Der Anstieg der Zahl der Gespräche im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr 209 ist zwar nicht gewaltig (+1,1 %), aber spürbar. Noch befriedigender ist jedoch, dass 2010 immerhin 64.343 Interessenten (+8,5 %) ein vorbereitetes Gründungskonzept mitbrachten – auch das ein Zeichen dafür, dass anders als in den vergangenen Jahren weniger Gründer nur eine Alternative zur Arbeitslosigkeit suchen.
Nach wie vor aber sei die drohende Erwerbslosigkeit für die meisten Gründungsinteressenten das eigentliche Motiv, bedauert DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann und warnt: „Furcht ist jedoch ein schlechter Ratgeber, der oft dazu führt, sich übereilt in das Abenteuer Selbstständigkeit zu begeben.“ Daran schuld sei auch, dass das Thema Unternehmertum im deutschen Bildungssystem noch immer viel zu kurz komme. Entsprechend seien beim Start selbst grundlegende Fragen oft ungeklärt: „43 % aller arbeitslosen Gründer haben keine klare Geschäftsidee“, kritisiert Driftmann. „So kann niemand in Verhandlungen mit Kunden, Geschäftspartnern und Banken bestehen.“
Es sei daher richtig, den Gründungszuschuss von einem Rechtsanspruch in eine Ermessensleistung umzuwandeln. Das erlaube den Arbeitsagenturen im Einzelfall abzuwägen, ob die Selbstständigkeit für den Arbeitslosen wirklich der geeignete Weg sei. Driftmann: „Das erschwert zwar den Zugang, schützt aber vor Schnellschüssen.“
Die Mehrheit der Gründungsinteressenten (64 %) will sich in Dienstleistungsbranchen wie Gastgewerbe, Gesundheits- und Pflegedienstleistungen oder Tourismus selbstständig machen. Als „besonders erfreulich“ bezeichnet Driftmann den Trend, dass immer häufiger Frauen ein Unternehmen gründen wollen. „Binnen sieben Jahren ist der Anteil der Gründerinnen von 32 % auf 40 % im Jahr 2010 gestiegen“, so Driftmann. Er führt diesen Trend auf ein sich wandelndes Rollenverständnis zurück. Die Wirtschaftsregion mit den anteilig meisten Existenzgründerinnen bleibt mit 43 % der Osten; in manchen IHK-Regionen beträgt der Gründerinnenanteil sogar 50 % oder mehr.
Der komplette Gründerreport steht per Download kostenfrei im Internet zur Verfügung.