Die Klimaschutzpolitik der Europäischen Union mindere die künftigen Absatzchancen für russische Erdöl- und Erdgasexporte, behauptet Petra Opitz, Energieexpertin und Autorin einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Das sei der eigentliche rationale Grund, warum Russland die Instrumente des Kyoto-Protokolls nur sehr begrenzt nutze, obwohl die russische Wirtschaft eigentlich davon profitieren könnte. Die Wissenschaftlerin rät der EU, Russland stärkere Anreize zu bieten, um die russische Regierung zu einer Verlängerung des bestehenden bzw. Ratifizierung eines möglichen Nachfolgeprotokolls zu bewegen.
„Eigentlich sind die Bedingungen des Kyoto-Protokolls für Russland attraktiv. Weil als Basisjahr 1990 – also ein Jahr vor dem Zusammenbruch der nationalen Wirtschaft – gewählt wurde, hat das Land derzeit sehr viele überschüssige Emissionsrechte, die es verkaufen könnte“, so Opitz. Trotzdem mache die Regierung davon nur sehr zögerlich Gebrauch. „Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens hat Klimaschutzpolitik in Russland keine große Priorität. Und zweitens sind die Energieexporte, insbesondere Öl und Gas, nach wie vor der Treiber für das wirtschaftliche Wachstum in Russland.“ Es gebe in Russland die Befürchtung, dass durch die ambitionierten Klimaschutzziele der Verbrauch fossiler Energieträge zurückgehen und dieser Wachstumstreiber dadurch geschwächt würde. Russland sei deshalb derzeit nicht interessiert, das Kyoto-Protokoll zu verlängern.
Die Expertin glaubt einen Ausweg aus diesem Interessenskonflikt zu kennen: „Sicherlich sollten nicht automatisch die bisherigen überschüssigen Rechte fortgeschrieben werden. Aber ein Teil von ihnen könnte Russland vielleicht auch in der Folgezeit noch zur Verfügung stehen.“ Stünden der Industrie darüber hinaus auch flexible Mechanismen zur Verfügung – z. B. anrechenbare transnationale Aktivitäten zu Emissionsminderungen in anderen Staaten –, wären nach Meinung der Studienautorin die Anreize für die russischen Unternehmen größer, sich gegenüber der Regierung durchzusetzen. Diese hätten nämlich ein unmittelbares Eigeninteresse, durch die Nutzung der Instrumente des Kyoto-Protokolls ihre Modernisierung und ihre Energieeffizienz zu finanzieren.
Eine ausführliche Information zu den Studienergebnissen bietet ein umfangreicher Beitrag der Autorin in der Ausgabe 23/2011 der Institutspublikation DIW Wochenbericht. Die Ausgabe steht per Download kostenfrei im Internet zur Verfügung.