Die deutsche Wirtschaft lernt die Qualitäten älterer Mitarbeiter zunehmend schätzen – so schien es in den letzten Jahren zumindest, denn die Zahl der älteren Arbeitslosen sank überproportional. Eine aktuelle Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis: Die Chancen auf Neueinstellung der über 50-Jährigen seien kaum gestiegen. Lediglich die Zahl ihrer Freisetzungen sei gesunken. Trotz Fachkräftemangel werde das Potenzial der Älteren noch lange nicht von allen Betrieben beachtet oder gar ausgeschöpft.
Das Fazit der von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und vom Forschungsnetzwerk Alterssicherung beauftragten Studie: Bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter werden Ältere nach wie vor oft benachteiligt. Privatdozent Dr. Martin Brussig, Leiter der IAQ-Forschungsabteilung Arbeitsmarkt – Integration – Mobilität, klagt: „Anscheinend nehmen die meisten Betriebe die Alterung ihrer Belegschaft passiv hin, statt sich durch Arbeitsplatzgestaltung und Weiterbildung aktiv auf sie einzustellen.“ Das bedeute aber auch, dass das Potenzial zur Ausweitung der Lebensarbeitszeit und der Arbeitskräfte bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Brussig: „Allen Klagen über den Fachkräftemangel zum Trotz: Die Masse der Betriebe ist noch nicht im Boot!“
Die Auswertung von Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigt, dass der Anteil der neu eingestellten Älteren an allen neuen Mitarbeitern mit 13 % nur die Hälfte ihres Beschäftigungsanteils beträgt (26 %, 2009). Lediglich für die 60- bis 65-Jährigen ist ein Anstieg der Eintrittsraten festzustellen. „Dieses dürfte allerdings eher Ergebnis des Aktivierungsdrucks von Arbeitsagenturen und Jobcentern sowie verschlossener Frühverrentungsmöglichkeiten als Ausdruck einer gestiegenen Wertschätzung durch die Betriebe sein“, vermutet Brussig.
Mit steigendem Alter treten immer weniger Menschen eine neue Stelle an. Dieser Effekt betrifft besonders die Geringqualifizierten. Ältere Hochqualifizierte, von denen im letzten Drittel der Erwerbsphase nur vergleichsweise wenige neu eingestellt werden, profitieren von stabilen Beschäftigungsverhältnissen, aufgrund derer sie sich seltener einen neuen Job suchen.
Die Raten unterscheiden sich zudem sehr stark zwischen Branchen: Sehr viele Neueinstellungen gibt es beispielsweise im Gastgewerbe, in der Landwirtschaft, in Leiharbeit sowie in eher gering qualifizierten Dienstleistungsbranchen. Eher selten kommen Neueinstellungen Älterer z. B. im Öffentlichen Dienst oder im Verarbeitenden Gewerbe vor.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie stehen per Download kostenfrei im Internet zur Verfügung.