Gestern stellte die Monopolkommission – ein ständiges und unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung für den Bereich der Wettbewerbspolitik – ihr drittes Sondergutachten zur Wettbewerbsentwicklung im Strom- und Gasmarkt vor. Darin kritisieren die Experten der Kommission eine uneinheitliche Entwicklung der Wettbewerbssituation: In einigen Bereichen der Strom- und Gasmärkte in Deutschland hätten die bisherigen Bemühungen um eine Wettbewerbsverbesserung zwar bereits erste positive Wirkungen entfaltet, auf vielen Märkten der leitungsgebundenen Energieversorgung in Deutschland bestünden aber weiterhin Wettbewerbsdefizite.
Auch wenn die Monopolkommission auf Energiemärkten dieses Mal insgesamt bessere Wettbewerbsbedingungen vorfanden als noch vor zwei Jahren, übt sie herbe Kritik. Ihr Vorsitzender Justus Haucamp warnt: „Eine wettbewerblichere Marktstruktur auf der Endkundenebene sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor allem auf der Erzeugungsebene im Stromsektor und aufgrund der Konzentration des Gasangebots auf vorgelagerten Import- und Großhandelsmärkten nach wie vor ganz erhebliche Wettbewerbsdefizite bestehen.“
So verfügen z. B. im Erdgasgroßhandel laut Kommission einzelne Unternehmen aus gasexportierenden Staaten weiterhin über erhebliche Marktmacht, „auch wenn hier durch den Ausbau des Pipelinenetzes, die Entwicklung des Flüssiggashandels und das Wachstum der europäischen Spotmärkte bereits wichtige Gegenbewegungen erkennbar sind“, wie die Kommission in ihrer Pressemitteilung formuliert. Auch die Regulierung der Gasnetze habe zwar zuletzt deutliche Fortschritte gemacht; grundsätzlich seien jedoch viele europäische Gasmärkte „nach wie vor unzureichend liquide und Regulierungsstrukturen entwicklungsbedürftig.“
Positiver stellt sich nach Meinung der Experten die Entwicklung im Strommarkt dar. Auf diesen sei zuletzt ein Rückgang des allerdings immer noch hohen Konzentrationsniveaus zu beobachten. Eine Kurzanalyse der Auswirkungen eines schnelleren Atomausstiegs habe aber ergeben, dass sich dieser Rückgang ausweiten wird.
Viele Verwerfungen in den Märkten resultieren laut Kommission aus der Marktordnung bei erneuerbaren Energien. Der erwartete Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung lege nahe, dass die Marktverzerrungen hier weiter zunehmen und sich zudem ungünstig auf die Verbraucher auswirken werden. Die Monopolkommission erachtet daher einen grundsätzlichen Wechsel in ein marktnäheres System für überfällig und bedauert, dass eine marktkonformere Ausgestaltung des EEG bei der aktuellen Novelle verpasst worden ist.
Bei der Beurteilung der Wettbewerbsaufsicht durch die Europäische Kommission und das Bundeskartellamt kritisiert die Monopolkommission insbesondere die für die Entwicklung des Wettbewerbs kontraproduktive und wettbewerbsökonomisch fragwürdige Anwendung der Preismissbrauchskontrolle gemäß § 29 GWB im Heizstromsektor und die Einstellung der Verfahren durch Zusagenentscheidungen. Die diskutierte Verlängerung der Geltungsdauer des § 29 GWB lehnt sie ab.
Deutliche Kritik übt die Kommission an der Argumentation kommunaler Versorger, sie könnten die Verbraucher effizienter mit Energie versorgen. Diese Verlagerung wird landläufig als Rekommunalisierung bezeichnet. Der Verband kommunaler Unternehmen reagierte auch bereits auf diese Kritik. Ihr Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck sieht darin eine Verkennung des Stellenwerts der kommunalen Selbstverwaltung. Reck: „Die rein auf den Preis ausgerichtete Betrachtung der Monopolkommission gibt kein zutreffendes Bild der Wettbewerbssituation. Auch Bürgernähe und Verlässlichkeit sind Wettbewerbsparameter im Energiemarkt.“
Die Monopolkommission macht in ihrem Bericht aber auch auf alternative Lösungen aufmerksam und stellt u. a. die Schaffung von mindestens zwei Preiszonen und die Anwendung eines effizienten Engpassmanagementverfahrens zur Diskussion.
Das komplette Sondergutachten Energie 2011: Wettbewerbsentwicklung mit Licht und Schatten steht per Download kostenfrei im Internet bereit.
(Monopolkommission / VKU / ml)