Berechnungen für 36 Länder Europas und Nordafrikas zeigen nach Aussagen des Sachverständigenrats für Umweltfragen, dass eine vollständig regenerative Stromversorgung bis 2050 schon zu Durchschnittskosten von 65 Euro/MWh erreichbar ist. Diese Prognose liegt deutlich unter den Berechnungen der Europäischen Kommission, die im Rahmen der geplanten Energy Road Map 2050 bekannt wurden. Fachlich seien die pessimistischen Zahlen der Kommission nicht nachvollziehbar, wundert sich Professor Dr. Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg, Volkswirt und Ratsmitglied des SRU.
Mit seinem Sondergutachten „Wege zur 100 % erneuerbaren Energieversorgung“ veröffentlicht der SRU erstmals die Szenarienergebnisse für 36 Länder Europas und Nordafrikas. Für jedes einzelne Land wurde ein kostenoptimierter Mix aus erneuerbaren Energien kalkuliert und ein hoher Selbstversorgungsanteil angenommen.
Demnach ist die Windenergie für die meisten europäischen Länder die kostengünstigste Technik, im Mittelmeerraum setzen sich aber auch hohe Anteile von Sonnenergie durch. Inklusive der Kosten für Netzausbau- und Speicher kann laut Studie eine vollständig regenerative und zur jeder Zeit verfügbare Stromversorgung für durchschnittlich 65 Euro/MWh erreicht werden – in einigen Ländern sogar für weniger. Allein das Pumpspeicherpotenzial Norwegens reicht aus, um europaweit als grüne Batterie zu dienen. „Damit werden die erneuerbaren Energien auch europaweit der kostengünstigste Energieträger in der EU“, prognostiziert Prof. Dr. Hohmeyer.
Die Europäische Kommission geht jedoch von deutlich pessimistischeren Zahlen aus. So wurde kürzlich ein Entwurf des Energiefahrplans 2050 der Kommission der Fachöffentlichkeit vorgestellt, in dem die Autoren verschiedene Szenarien vergleichen. In diesem Vergleich kommen sie zu dem Ergebnis, dass die erneuerbaren Energien zur Erreichung der Klimaziele bis 2050 einen Anteil von 59 bis 86 % an der Stromversorgung erreichen müssen und damit in jedem Falle die wichtigste Energiequelle werden.
Das Szenario mit dem höchsten Anteil an erneuerbaren Energien erscheint in der Studie der Europäischen Kommission aber als das teuerste. Die damit verbundenen Kosten liegen sehr deutlich über den Berechnungen des SRU für eine regenerative Vollversorgung auf der Basis des ReMix-Modells des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrtforschung. Hohmeyers Kritik: „Die Europäische Kommission unterschätzt systematisch das Potenzial der erneuerbaren Energien für eine kostengünstige und nachhaltige Stromversorgung.“ Der Kostenpessimismus der Europäischen Kommission sei fachlich nicht nachvollziehbar. Überzogene Kostenprognosen könnten jedoch die politische Akzeptanz für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in der EU behindern.
In seinem Sondergutachten macht der SRU seinerseits deutlich, wie wichtig es ist, dass der nationale Ausbau der erneuerbaren Energien europäisch flankiert wird. Er empfiehlt, dass die EU verbindliche Ausbauziele für die erneuerbaren Energien für 2030 formuliert und den Ausbau der europäischen Stromnetze systematisch auf den Bedarf der wachsenden erneuerbaren Energien ausrichtet. Die Harmonisierung der Förderinstrumente erachtet er jedoch nicht als „sachgerecht“, weil die Bedingungen in den Mitgliedsstaaten zu unterschiedlich sind.
Die englische Fassung des über 430-seitigen Sondergutachtens Wege zur 100 % erneuerbaren Stromversorgung steht per Download kostenfrei im Internet zur Verfügung (Quelle: SRU/ml).