Im September wurden europaweit 70 Risikomanager von 61 Kreditinstituten befragt, wie sie die Entwicklung des Marktes für Endkundenkredite (Retail-Banking-Markt) bis April 2012 einschätzen. Das Ergebnis: Die Stimmung unter den Risikomanagern hat sich im Vergleich zum Frühjahr 2011 zwar verschlechtert, im Vergleich zu ihren europäischen Kollegen sind die Risikoexperten in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) allerdings deutlich zuversichtlicher. Durchgeführt wurde die Umfrage vom Prognosespezialisten FICO und der European Financial Marketing Association (Efma).
Die Umfrage bildet die Basis der Studie European Credit Risk Survey, die damit bereits zum dritten Mal erscheint.
Laut dieser Studie zeichnet sich für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in ganz Europa ein Nachfrageüberhang ab. Die Hälfte der befragten Risikomanager erwartet, dass in diesem Segment sowohl die Zahl der Kreditanträge, als auch die Höhe der beantragten Kredite zunehmen werden. Dagegen gehen nur 36 % von einem steigenden Kreditangebot für KMU aus, 28 % prognostizieren sogar eine rückläufige Tendenz. Bei den Verbrauchern rechnen 42 % mit einer Zunahme der Kreditanträge und nur 28 % mit einer erhöhten Kreditvergabe; 27 % glauben sogar, dass die Kreditvergabe in diesem Segment abnehmen wird.
Auch in der DACH-Region wird in den kommenden Monaten die Kreditaufnahme für kleine und mittlere Betriebe etwas schwieriger werden. Denn die Anzahl der Kreditanträge nimmt voraussichtlich zu (44 %) und die Höhe der Beträge je Kreditantrag steigt (56 %), während das Kreditvolumen relativ stabil bleibt (78 %). Bei den Verbrauchern dürfte die Nachfrage laut 55 % der Befragten ebenfalls steigen, während nur 22 % glauben, dass auch das Angebot und/oder die Anzahl der Bewilligungen zunehmen wird/werden. Im europäischen Vergleich ist diese Entwicklung in den deutschsprachigen Ländern aufgrund des kulturell bedingten geringeren Verschuldungsgrads allerdings weniger beunruhigend.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz erwarten die Befragten außerdem eine leichte Zunahme der Kreditausfälle bei KMU. Insgesamt sehen sie die Zukunft aber deutlich positiver als ihre europäischen Kollegen. Für Hypotheken prognostizieren sie sogar einen leichten Rückgang der Ausfälle. Anders verhält es sich in den übrigen Regionen Europas: Den europäischen Risikomanagern zufolge könnte in den kommenden Monaten europaweit eine steigende Anzahl an Kreditnehmern bei verschiedenen Kreditprodukten in Zahlungsverzug geraten. Probleme werden nicht nur bei KMU, sondern insbesondere auch bei Überziehungskrediten, Kreditkarten und in geringerem Maße auch bei Kfz-Krediten und Hypotheken erwartet. Nur 12 bis 14 % der Experten gehen von einer Entspannung bzw. Verbesserung der Situation bei einem der abgefragten Kreditprodukte aus.
Die meisten europäischen Experten (77 %) geben an, dass sie seit 2008 ihre Prozesse im Risikomanagement angepasst haben, um die mit dem wirtschaftlichen Abschwung verbundenen Risiken zu managen. Zudem hat das Risikomanagement laut 83 % der Befragten mittlerweile einen deutlich höheren Stellenwert und die Kreditvergabepolitik lässt sich schneller anpassen (79 %). Ganze 97 % sind außerdem der Meinung, dass ihre Entscheidungen auf einem vertieften Wissen über die finanzielle Fähigkeit eines Kunden, zusätzliche Kredite aufzunehmen und zu bedienen, fußen. 40 % glauben dennoch, dass sich vor allem die Arbeitslosigkeit und Probleme der Eurozone negativ auf die Portfolien auswirken werden.
Die Risikomanager aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen sich bezüglich der Einschätzung ihrer Kunden besonders selbstbewusst. Sie bekunden einstimmig, in ihrem Hause sei die Kreditvergabe auf die finanziellen Möglichkeiten der Kunden, zusätzliche Lasten zu schultern, abgestimmt, und die seit 2008 angepasste Kreditpolitik federe die Auswirkungen eines Abschwungs ab. Auch in dieser Region geben 89 % der Befragten an, das Risikomanagement habe in den letzten drei Jahren an Bedeutung gewonnen.
„Die finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Eurozone werden sich voraussichtlich auch in der DACH-Region auf das Kundenverhalten und das Kundenvertrauen auswirken“, warnt Phillip Sertel, Senior Director DACH, Central & Eastern Europe bei FICO in München.
Der englischsprachige Report mit den wesentlichen Studienergebnissen steht per PDF-Download kostenfrei im Internet bereit. (Quelle: FICO/ml)