In den letzten Jahren wurde der Städtetourismus in Europa zu einer treibenden Kraft – vor allem für Hauptstädte mit Tourismuskonzepten. So nahm in den Jahren 2005 bis 2010 die Anzahl der Übernachtungen am stärksten in Berlin (7,3 %) und Stockholm (5,7 %) zu. Die höchste Zahl an Übernachtungen konnten im Jahr 2010 London (48,7 Mio.), Paris (35,8 Mio.), Berlin (20,8 Mio.) und Rom (20,4 Mio.) verbuchen. Die höchsten Übernachtungspreise pro Zimmer erzielten Paris, London und Rom. Das ergab die Studie European Capital City Tourism der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants, deren Experten 24 europäische Hauptstädte unter die Lupe nahmen.
Vladimir Preveden, Partner von Roland Berger hält den Tourismus für besonders krisenfest: „Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich Wirtschaftskrisen weniger dramatisch auf den Städtetourismus auswirken als auf andere Bereiche.“ Außerdem stelle der Tourismus einen wichtigen Motor für die gesamte Wirtschaft dar – vor allem jener in den Hauptstädten Europas.
Der offensichtliche Beweis: Ließ die Krise im Jahr 2009 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den untersuchten europäischen Ländern durchschnittlich um 4,3 % sinken, so ging der Städtetourismus in den Metropolen nur um 3,5 % zurück. Und während das Bruttoinlandsprodukt 2010 lediglich moderat zulegte, konnten die europäischen Hauptstädte einen beachtlichen Anstieg der Übernachtungen um knapp 7 % verzeichnen.
Die Top Ten der Übernachtungen in Europa im Jahr 2010 führen London mit knapp 49 Mio. und Paris mit fast 36 Mio. Übernachtungen an. Doch auch Berlin mit fast 21 Mio. und Rom mit 20,4 Mio. Übernachtungen schneiden beim europaweiten Ranking sehr gut ab. Dabei erzielten Berlin (+7 %), Stockholm (+5,7 %) und Ljubljana (+5,2 %) das größte Wachstum bei den Übernachtungen im Zeitraum von 2005 bis 2010. Preveden ist sich sicher, dass für die Erfolge von Städten wie Wien, Berlin, Amsterdam oder London deren klare Strategien für die Entwicklung ihrer touristischen Aktivitäten verantwortlich sind: „Das hat sich positiv ausgewirkt – sowohl auf die Ankünfte als auch auf die Übernachtungen.“
Eine wichtige Rolle spielen wohl auch Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen der einzelnen Städte gegenüber ihren Einwohnern. Denn nur so lassen sich Tourismusstrategien erfolgreich umsetzen, glaubt Vladimir Preveden: „Wenn die Bevölkerung den Besuchern gegenüber nicht positiv eingestellt ist, nützt auf Dauer auch die beste Werbung nichts.“ Insgesamt haben nur 7 der 24 untersuchten Städte entsprechende Tourismuskonzepte erarbeitet und umgesetzt.
Die Entwicklung der Bettenkapazität stellt für Privatinvestoren einen wichtigen Indikator eines touristischen Ziels dar. Doch mehr Betten bedeuten nicht immer höhere Preise und eine bessere Auslastung. „Ein gutes Beispiel dafür ist Berlin: Die vorhandenen Hotelbetten sind nur wenig ausgelastet. Zusätzlich treiben sehr niedrige Zimmerpreise viele Berliner Hotels an den Rand der Insolvenz“, mahnt Preveden. So belegt Berlin mit einem Durchschnittspreis von 87 Euro pro Nacht den vorletzten Platz im Ranking des Erlöses pro verfügbarem Zimmer. Nur Prag ist mit 71 Euro pro Nacht noch schlechter aufgestellt.
Am besten schneiden Paris (171 Euro), London (149 Euro) und Rom (139) ab. „Paris, London und Rom zeigen, wie es geht. Hier werden sowohl die höchsten Zimmerpreise als auch die größte Auslastung erzielt“, so Preveden. Für die positive Entwicklung einer Destination sei auch der Gästemix entscheidend. „Der Anteil internationaler Gäste – vor allem aus Übersee – ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor: Er weist auch auf die Diversifizierung und die breite Positionierung auf dem globalen Markt hin.“
In dieser Hinsicht zeigt Berlin noch Nachholbedarf, denn lediglich 41 % der Besucher der deutschen Hauptstadt kommen aus dem Ausland, 10 % aus Übersee. Im Vergleich dazu sind 90 % der Touristen in Prag internationaler Herkunft und 18 % aus Übersee. In London kommen immerhin knapp 80 % der Besucher aus dem Ausland – fast die Hälfte davon aus nicht europäischen Ländern.
Der Erfolg einer Hauptstadt als touristisches Ziel hängt außerdem maßgeblich von seiner Erreichbarkeit ab. „Lässt sich eine Stadt via Luftverkehr problemlos erreichen, so hat diese Stadt hervorragende Chancen, Touristenströme zu locken. Dabei spielen Billig-Airlines eine sehr wichtige Rolle“, erläutert Preveden.
Die Erreichbarkeit einer Stadt per Flugzeug wirkt sich auch auf ihre Positionierung als wichtiges Kongresszentrum aus. Die Roland Berger-Untersuchung zeigt, dass Städte, die weniger als 60 Flugdirektverbindungen haben, keine ausreichende Erreichbarkeit aufweisen und für Kongresse nicht optimal sind. Standorte, die zwischen 60 und 180 Direktflugverbindungen aufweisen, haben sich in den letzten Jahren jedoch als ideale Kongresszentren etabliert.
Die englischsprachige Studie European Capital City Tourism steht per PDF-Download kostenfrei im Internet bereit. (Quelle: Roland Berger/ml)