Wer ein neues Eigenheim baut und als Unternehmer plant, einen Teil des Gebäudes in Zukunft für sein Unternehmen zu nutzen, kann von den Baukosten für diesen Gebäudeteil anteilig die Vorsteuer abziehen. Aber wie wird sich das Unternehmen entwickeln und wie groß wird der gewerbliche Anteil am Haus in Zukunft sein? Diese Frage quält nicht nur Start-up–Gründer mit unsicheren Marktaussichten, sondern auch die Finanzämter, wie ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigt.
Das Urteil des BFH (V R 21/10) legt fest, dass dem Unternehmer und Bauherren für die Entscheidung über den künftig für sein Unternehmen genutzten Anteil am Gebäude nur ein eng begrenzter Zeitraum bleibt, der im Einzelfall die Bauzeit kräftig unterschreiten kann. So geschehen im Fall, der dem Urteil zugrunde liegt.
Die Entscheidung des BFH
Mit Urteil vom 7. Juli 2011 V R 21/10 hat der BFH entschieden, dass die Vorsteuer aus den Baukosten für ein gemischt genutztes Gebäude nur abgezogen werden kann, wenn der Bauherr zeitnah entschieden und dokumentiert hat, in welchem Umfang das Gebäude unternehmerisch genutzt werden soll. Maßgeblich ist die gesetzliche Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Erklärung (31. Mai des Folgejahres). Eine danach getroffene oder dokumentierte Entscheidung kann nicht mehr berücksichtigt werden. Mit diesem Urteil, das nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt worden ist, hat der BFH seine Rechtsprechung zur Einschränkung des Vorsteuerabzugs aufgrund des sog. Seeling-Modells (vgl. PM Nr. 82 vom 12. Oktober 2011 zu V R 41/09 und V R 42/09) bestätigt und ergänzt.
(Zitat aus der Pressemitteilung des BFH.)
Der Fall: Ein Unternehmer baute im Zeitraum vom Sommer 2007 bis Januar 2008 ein Einfamilienhaus, das er danach mit seiner Familie bezog und teilweise für sein Unternehmen nutzte. In seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das dritte und vierte Quartal 2007 und das erste Quartal 2008 machte er keine Vorsteuern aus den Baukosten geltend. Erst am 5. Juni 2008 reichte er bei dem Finanzamt berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein und machte darin den Vorsteuerabzug geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab; Klage und Revision hatten keinen Erfolg.
Die Urteilsbegründung des BFH
Der BFH hat zunächst die Grundsätze des Urteils V R 42/09 bestätigt, wonach die beim Leistungsbezug zu treffende Zuordnungsentscheidung spätestens im Rahmen der Jahressteuererklärung zu dokumentieren ist. Das gilt auch für den – in der Praxis bedeutsamen – Vorgang einer sich u.U. über mehrere Jahre erstreckenden Gebäudeherstellung. Das bedeutet: Auch wenn die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung im Rahmen einer Umsatzsteuer-Voranmeldung zunächst unterblieben ist, ermöglicht der BFH dem Unternehmer eine Korrektur im Rahmen der Jahressteuererklärung. Insoweit hat der Unternehmer allerdings die für die Jahresfestsetzung maßgebende Dokumentationsfrist (31. Mai des Folgejahres) zu beachten. Da der Kläger die Zuordnung des Gebäudes zu seinem Unternehmensvermögen erst nach Ablauf der Dokumentationsfrist vorgenommen hatte, konnte seinem Klagebegehren nicht entsprochen werden.
(Zitat aus der Pressemitteilung des BFH.)
Aus Unternehmersicht ist das Urteil zu bedauern: Hier stehen zwei Interessen im Widerstreit. Einerseits das des Staates und seiner Behörden, Verwaltungsakte nicht über das Maß hinaus auszudehnen und zu verzögern und das des Unternehmers als Vertreter der Wirtschaft, nicht grundlos für eine unternehmerische Investition eine Steuer zahlen zu müssen, die vom Gesetzgeber für den Konsumbereich gedacht ist.
Durch eine Beschränkung des Inanspruchnahmezeitraums des Vorsteuerabzugs auf ein Jahr wird jedoch gerade für langwierige – und damit meist besonders kostenintensive – unternehmerische Vorhaben der Sinn des Vorsteuerabzugs unterlaufen. Immerhin ist der Bau eines Betriebsgebäudes – und nichts anderes ist die Reservierung eines Gebäudeteils für unternehmerische Zwecke aus Unternehmersicht – sowohl für kleine als auch junge Unternehmen von existenzieller Bedeutung.
Das Urteil ist daher vor allem für kleine und kleinste Betriebe und das Gründerklima in Deutschland abträglich. Das ist umso bedauerlicher, als es keiner Missbrauchsvorbeugung sondern lediglich einer Verwaltungsvereinfachung dient. (Quelle: BFH/ml)