Viele Experten glauben, dass um die Mitte dieses Jahrhunderts herum das Renteneintrittsalter durchaus bei 72 oder noch mehr Jahren zu liegen kommen könnte. Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, hält solche Prognosen allerdings für reichlich spekulativ. Sinnvoll sei eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ohnehin nur dann, wenn es für ältere Mitarbeiter sowohl mehr Chancengleichheit als auch mehr Weiterbildung gäbe. Wir sprachen mit ihm über das Thema.
Wenn Menschen länger arbeiten wollen, dann müssen sie dazu auch in die Lage versetzt werden, fordert Schneider. Er hält die gegenwärtige Diskussion über die Beschäftigung älterer Mitarbeiter für ideologisch geprägt. Da würden fiktive, „ungeheuer erfahrene Mitarbeiter“ als „Pappkameraden“ aufgebaut, während die Erwerbstätigkeit der Über-60-Jährigen in der Realität bei gerade mal rund 50 % läge. „Soweit kann es mit der Erfahrung bzw. ihrer Wertschätzung in den Betrieben also nicht her sein“, spöttelt Schneider. Die öffentliche Diskussion gehe derzeit „haarscharf an den Realitäten vorbei“.
Es gehe erst einmal darum, die älteren Mitarbeiter überhaupt in die Lage zu versetzen, mit der raschen Entwicklung in der Arbeitswelt Schritt halten zu können. Das bedeute, den Mitarbeitern erheblich mehr Weiterqualifizierung zu ermöglichen, als heute üblich.
Unseren Einwand, dass sich mittelständische Betriebe ein solches Angebot an die älteren Mitarbeiter vielleicht nicht leisten könnten, wischt Schneider kurzerhand beiseite: Es käme nicht auf die Größe des Betriebs an, sondern auf seine Rentabilität und wirtschaftliche Stärke. Womit er zweifellos recht hat. Insgesamt lässt Schneider im Interview keinen Zweifel daran, dass er sich mehr Realitätssinn in der Diskussion wünscht. (ml)