Eigentlich könnte sich der Mittelstand bei der anstehenden Bundestagswahl am 22. September beruhigt zurücklehnen, denn alle Parteien von ganz links bis rechts, von groß bis klein versichern ihm gebetsmühlenartig ihre ganz besondere Zuneigung. Ist der Mittelstand wirklich Everybody’s Darling? Wir baten Dr. Marc Evers, Leiter des Referats Mittelstand, Existenzgründung, Unternehmensnachfolge beim DIHK, um seine Meinung.
Noch nie war ein Bundestagswahlkampf so inhaltsleer und zahm wie der aktuelle – so lautet das Urteil der meisten Deutschen. Liegt das an einer wie immer gearteten „Alternativlosigkeit“? Wahlforscher sehen einen anderen Grund: Die anstehenden realen Probleme und entsprechende Lösungen werden immer komplexer. Komplexe Sachverhalte aber lassen sich im Wahlkampf mit den klassischen Mitteln Plakat, Werbespot und Kampf-Event nicht mehr vermitteln.
Aber auch die Wahlprogramme der großen Parteien von Grün bis Schwarz unterscheiden sich auf den ersten Blick in wirtschaftsbezogenen Fragen wenig. Vor allem die Förderung des Mittelstands scheint allen ein Hauptanliegen zu sein. Das bestätigt uns auch Wirtschaftsexperte und DIHK-Referatsleiter Dr. Marc Evers. Gleichzeitig warnt er aber davor, die scheinbar kleinen Unterschiede in den Programmen zu überlesen, denn im Detail steckt bekanntlich der Teufel.
Vor allem bei den Steuerplänen der Oppositionsparteien sieht Evers Gefahren für den Mittelstand. Eine Kumulation der geplanten Einzelmaßnahmen führe seiner Einschätzung nach zu erheblichen Mehrbelastungen mittelständischer Betriebe. Besonders die Pläne, wieder eine Vermögenssteuer einzuführen, seien unsinnig, da der Erhebungsaufwand die zu erwartenden Mehreinnahmen deutlich übersteige, so Evers. Darüber hinaus schade diese Steuer dem Mittelstand, da bei den meist personengeführten Unternehmen eine Trennung zwischen Privat- und Unternehmensvermögen kaum möglich sei. Eine Vermögenssteuer enge daher in vielen Fällen den Investitionsspielraum der Unternehmen ein.
Auch eine Transaktionssteuer für Börsen- und Devisengeschäfte schade indirekt dem Mittelstand, glaubt der DIHK-Experte. So dürften die ohnehin anstehenden europäischen Regularien zur Stabilisierung der Finanzmärkte – darunter Basel III und 14 weitere Maßnahmen – die Banken bereits dazu zwingen, die Kreditkonditionen für den Mittelstand zu verschärfen. Eine Transaktionssteuer würde die Lage demnach nur noch zuspitzen.
Mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland lobt Evers das Bekenntnis praktisch aller Parteien zu einer Stärkung der beruflichen Bildung. Das Engagement für eine Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland lasse bei einigen Parteien allerdings zu wünschen übrig. Immerhin seien sich die Parteien des Problems zu geringer Zuwanderung von hoch qualifizierten Fachkräften wenigstens bewusst.
Insgesamt seien die Parteien in Wirtschaftsfragen nicht mehr so eindeutig unterscheidbar wie früher, warnt Evers abschließend. Der DIHK appelliere daher an alle Mittelständler, sich die Programme der Parteien genau anzusehen. Wem die Zeit dafür fehlt, kann auf zwei Kurzanalysen des DIHK im PDF-Format zugreifen:
Eine direkte Wahlempfehlung spreche der DIHK allerdings nicht aus, so Evers. (ml)