Wenn Verbandssprecher und Politiker über den Arbeitsmarkt reden, ist gesundes Misstrauen angesagt, weil meist unausgesprochene Interessen Regie führen. Deshalb sprachen wir zum Thema Mindestlohn dieses Mal mit Prof. Michael Burda, seines Zeichens unabhängiger Ökonom und international ausgewiesener Experte für Makro- und Arbeitsmarktökonomie. Er hält einen Mindestlohn von 8,50 Euro für zu hoch und befürchtet unter anderem den Verlust von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.
Prof. Burda ist kein grundsätzlicher Gegner eines Mindestlohns – vor allem dann nicht, wenn eine Gesellschaft wie die deutsche einen solchen politisch wünscht. Skeptisch ist er vielmehr angesichts der Höhe des Mindestlohns, den die Große Koalition einzuführen beabsichtigt. Dies werde in jedem Fall Arbeitsplätze kosten, glaubt Burda. Vor allem in Branchen, deren Erträge ohnehin grenzwertig gering seien.
Für mindestens genau so gravierend hält er allerdings den Einfluss des hohen Mindestlohns auf das gesamte Lohnniveau und auf den Ausbildungsbereich. So gebiete eine Lohngerechtigkeit einen ausreichenden Lohnabstand zwischen den Leistungsstufen. Mit 8,50 Euro läge der Mindestlohn aber viel zu nahe am mittleren Lohnniveau. Deshalb werde er diese Niveaumitte und mit ihr das gesamte Lohnniveau „wie ein Akkordeon“ nach oben drücken.
Auch eine negative Auswirkung auf das Ausbildungsangebot der Wirtschaft sei zu erwarten, so Burda weiter. Das sei umso bedauerlicher, als man eine Ausbildung als Investition in die Zukunft betrachten müsse, die einem Auszubildenden für dessen Zukunft weitaus bessere Löhne verspreche als den Mindestlohn.
Alles in allem sei ein Mindestlohn von 8,50 Euro derzeit zwar bezahlbar. Schwierig könne es jedoch in der nächsten Konjunkturdelle werden. Auch solche langfristigen Entwicklungen müssten unbedingt berücksichtigt werden.
Ganz wichtig ist dem Arbeitsmarktexperten daher eine möglichst faktenbasierte, wissenschaftliche Ausrichtung der Kommission, die in Kürze ihre Arbeit zur Ausgestaltung des Mindestlohns aufnehmen soll.
Prof. Michael C. Burda PhD ist gebürtiger Amerikaner und Lehrstuhlinhaber der Fakultät Wirtschaftstheorie II an der Humboldt-Universität Berlin. Zusammen mit dem französischen Wirtschaftswissenschaftler Charles Wyplosz veröffentlichte Burda beim Verlag Oxford University Press das weit verbreitete Wirtschaftslehrbuch Macroeconomics: A European Text. Seine berufliche Laufbahn umfasst u.a. Lehrtätigkeiten an der Berkeley University of California und am INSEAD. (ml)