Die Idee ist nicht neu, die Verärgerung deutscher Kreditinstitute darüber auch nicht: Bereits im März 2013 erzeugte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier mit seiner Idee eines EU-Sparbuchs einigen Wirbel. Nun sorgt eine Neuauflage des Vorschlags für richtigen Ärger in der Kreditbranche. Wir befragten Michaela Roth, Pressesprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), warum das Konzept eines EU-Sparbuchs den Verband so in Rage versetzt.
Wer den Hintergrund der Idee nicht kennt, wird die vehemente Ablehnung der deutschen Kreditinstitute nur schwer nachvollziehen können. Sparbuch klingt doch sogar typisch deutsch, oder? Tatsächlich aber besitzt das Konzept erhebliche Sprengkraft für die hiesige Kreditbranche. Worum geht es?
Vorbild des EU-Sparbuchs sind zwei nationale Sparformen in Frankreich und Italien: das französische Livret A, eingeführt vor rund 200 Jahren von König Ludwig XVIII. und das italienische Postsparkonto Buono fruttifero postali. Beide Sparanlageformen erfreuen sich größter Beliebtheit, da sie eine privilegierte Form eines Sparkontos darstellen. Zum einen garantiert der jeweilige Staat für die Einlagen, zum anderen liegen die Verzinsungen dank Subventionierung über denen normaler, nationaler Sparanlagen. Zinsgewinne aus dem französischen Livret A sind zudem von der Steuer befreit. In beiden Ländern werden mit den auf diese Sparkonten eingezahlten Geldern besonders brennende staatliche Aufgaben unterstützt, in Frankreich z.B. der soziale Wohnungsbau. In Italien verhinderte die staatliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) mit den Posteinlagen (Ende 2012 immerhin rund 230 Mrd. Euro) auf dem Höhepunkt der Eurokrise vermutlich sogar eine Staatspleite.
Das EU-Sparkonto soll dieses Konzept nun übernational für ganz Europa nutzen und der Versorgung der mittelständischen Wirtschaft mit langfristigen Krediten dienen. Das scheint auf den ersten Blick sinnvoll, denn in einigen Ländern mit einer instabilen Kreditwirtschaft fehlt es am Vertrauen der Sparer in die nationalen Kreditinstitute und damit auch an Investitionskapital für die Wirtschaft. Ein lukratives und sicheres EU-Sparbuch als Alternative könnte in diesen Ländern also tatsächlich privates Vermögen der Bürger wieder dem Kapitalkreislauf zuführen.
Dennoch hat das Konzept zwei grundsätzliche Schwächen, wie uns Michaela Roth vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband erklärte. Für die Kreditinstitute in Ländern mit einer gesunden Kreditwirtschaft wäre ein EU-Sparbuch ein sowohl überflüssiger als auch schädlicher staatlicher Eingriff in den Finanzmarkt. Hierzulande besitzen vor allem die regionalen Institute, darunter die Sparkassen, nach wie vor das Vertrauen der Sparer. Deshalb verfügen sie über genügend Einlagen ihrer Kunden, um die Kreditnachfrage auch ohne staatlichen Eingriff befriedigen zu können. Für sie würde ein EU-Sparbuch eine Verzerrung des Wettbewerbs bedeuten.
Der zweite Schwachpunkt: Das Problem der unzureichenden Kreditversorgung in den Problemländern ist nicht fehlendes privates Kapital, sondern das Misstrauen der Bürger in die Bankenstruktur. Es verhindert, dass privates Geld dem Kreislauf zugeführt wird und für Kredite zur Verfügung steht. An diesem strukturellen Problem würde das EU-Sparbuch jedoch nichts ändern, sondern ganz im Gegenteil eine dauerhafte Lösung verzögern, wenn nicht sogar verhindern. (ml)