Es war immer schon schwierig, den Nutzen digitaler Lösungen zu erklären. An dieser Front hat der Vertrieb zu kämpfen, seit es die ersten Office-Programme gibt. Mit dem digitalen Wandel ist das nicht leichter geworden. Wie man Digitalisierung dennoch anschaulich, begreiflich und faszinierend vorführen kann, war mustergültig auf der SPS IPC Drives 2018 in Nürnberg zu sehen.
Digitale Lösungen sind nicht einfach erklärungsbedürftige Güter; das Vertrackte daran ist, dass es nichts zum Anfassen gibt. Im besten Fall gibt es so etwas wie ein Interface zu sehen – und auch dann muss das Standpersonal auf der Messe erst erklären, was dort überhaupt zu sehen ist. Auf der SPS IPC Drives lag die Lösung dieses Problems relativ nahe, nämlich in Erlangen. Dort haben die hl-studios ihren Sitz, die zwar als „Agentur für Industriekommunikation“ firmieren, doch das ist eine arge Untertreibung. In Wahrheit sind die Teams eher das, was Gian Lorenzo Bernini für die Päpste oder – näher an Nürnberg-Erlangen – Balthasar Neumann für die Würzburger Fürstbischöfe war: Inszenatoren der Spitzenklasse, Gestalter und Feuerwerker zugleich. Nur dass hl-studios zum Beispiel Prozess- und Effizienzvorteile begreiflich machen – und das wiederum oft genug mit digitalen Mitteln.
„Messeinszenierungen aus der Industrie müssen den Besucher mitnehmen. Ihn in die Produktwelt eintauchen lassen – damit er sie ergründen und durchdringen kann“, sagt Geschäftsführer Gregor Bruchmann. Das Stichwort dafür heißt bei hl-studios „digitale Immersion“. Was dabei alles möglich ist, kann man in der Heise-Beilage „IT- und Technologieunternehmen stellen sich vor“ 2/2018 nachlesen (Seite 24). Wer im Nachgang zur SPS IPC Drives einen vergleichsweise blassen, aber doch guten Eindruck gewinnen möchte, sieht sich am besten den Zusammenschnitt auf YouTube oder das Siemens-Messevideo an. Auf der Messe in Nürnberg haben hl-studios insgesamt 25 Immersionsprojekte realisiert, vor allem für Siemens, aber auch für Baumer Electric und evosoft.
Ein wesentliches Prinzip der Umsetzungen besteht darin, die Lösung zur Narration zu machen – zu individuellen Geschichten, die der Besucher nicht auf einem vorgeschriebenen Weg beschreitet, sondern nach eigenem Interesse erkundet und kombiniert. Das Messebeispiel hierfür wäre etwa der Themenhof Simatic Safety Integrated, der das Sicherheitskonzept von Siemens erlebbar machte. Am anderen Ende der Skala zeigen selbst die Bühnenvorträge, wie PowerPoint-Folien mit dem Sprecher zusammen agieren. Dazwischen nutzen hl-studios so ungefähr alles, was Interesse weckt und in der Lage ist, Bedeutung zu transportieren; Infotainment, Gamification und klassische Dramaturgie spielen mit Sound, Licht und Haptik, Augmented Reality, Hologrammtechnik und interaktiven Systemen zusammen. Das ergibt zum Beispiel eine Display-Wand, die den Betrachter erkennt und in die dargestellt Welt sozusagen hineinbeamt.
Allerdings ist auch bei hl-studios nicht alles digitale Hightech. Erstens achten die Kundenreiseveranstalter genau darauf, dass die Mittel nicht den Zweck verdecken, sondern wohldosiert bleiben, zweitens hat sich gezeigt, dass analoge Mittel und Medien zum Anfassen oft sehr gut funktionieren, gerade bei Lösungskonzepten, die selbst bereits digital-abstrakt sind (Big Data, Digital Twins etc.). Katja Littow, Leitung Strategie und Creative Director bei hl-studios formuliert das so: „Je mehr digitale Business-Modelle die aktuelle Medienlandschaft abbildet, desto größer wird auch das Bedürfnis nach gegensätzlichen Medien.“ Man wird Erlangen also im Auge behalten müssen, auch deshalb, weil hl-studios logische Andockpunkte zu etlichen weiteren Bereichen der Informationsgewinnung und Entscheidungsfindung hat, von Aus- und Weiterbildung über Maintenance bis zu den Gremien der Politik.