Epson hat seiner 2017 eingeführte Augmented-Reality-Brille Moverio BT-350 eine weitere Fähigkeit gegeben: Das smarte Gerät hat sich aus Göppingen TeamViewer Pilot geholt und bewirbt sich damit noch einmal neu für die Fernwartung in der Industrie.
Der gesamte Technologiebereich Extended Reality (AR und VR) leidet immer noch darunter, dass ihm die wirtschaftlich überzeugende Killer-Applikation fehlt. Der Markt ist geordneter geworden, aber immer noch zerrissen zwischen Consumer-nahen Gamer-Szenarien und Nice-to-have-Anwendungen auf der einen Seite und professionellen virtuellen Wirtschaftswelten auf der anderen. Hinzu kommt, dass die Hersteller von Smart Glasses und entsprechender Software jeweils eigene Ökosysteme anstreben. „Die Industrie wusste erstmal nichts anzufangen mit Augmented Reality“, konstatiert der VDI. Mindestens die Automobilindustrie scheint jedoch mittlerweile die Vorteile von Virtual-Reality-Produktentwicklung wahrzunehmen.
Das zweite industrielle Einsatzszenario, von dem man sich viel verspricht, ist eben die Serviceunterstützung aus der Ferne: Außendienstmitarbeiter oder Techniker im Haus filmen die Problemstelle und erhalten direkt im Bild zusätzliche Informationen eingeblendet: Produkt-IDs, Anleitungen, Schaltungen etc. In manchen Fällen geschieht das mit Referenz auf einen digitalen Zwilling der Anlage, also ein komplettes Datenabbild, in anderen Fällen orientiert sich die AR-Software punktuell anhand von Beacons oder optischen Markern, in wieder anderen funktioniert das System mit Live-Übertragung des Kamerabilds und die Echtzeitunterstützung eines Experten am anderen Ende des Streams. Mit diesem letzten Modell funktioniert nun auch die Moverio BT-350. „Die Partnerschaft von Epson und TeamViewer ist ein wichtiger Schritt nach vorn für die Verwendung von Multimedia-Brillen in der Remote-Assistenz“, sagt Valerie Riffaud-Cangelosi von Epson Europe.
Pilot ist eine Erweiterungsfunktion der TeamViewer-Kollaborationssoftware. In Kombination mit der smarten Epson-Brille hat die Fernwartung also den Charakter einer Videokonferenz mit Bildschirmübertragung. Der entfernte Experte kann dann Anweisungen geben und Anmerkungen im Sichtfeld eintragen (Pfeile, Freihandzeichnungen, vorbereitete Schritt-für-Schritt-Anleitungen etc.). Ein wesentlicher Vorteil dabei ist, dass der Mitarbeiter vor Ort – anders als beim Streaming von Smartphone-Aufnahmen – die Hände frei hat. Abgesehen von der schnelleren Problemlösung ist heutzutage auch die Überlegung wichtig, dass solche AR-Systeme den Fachkräftemangel abfedern: Das Know-how der raren (und teuren) Experten kann auf diese Weise besser und öfter zum Einsatz kommen – und auch dann, wenn die Spezialisten schon ein Alter erreicht haben, in dem sie nicht mehr auf Mobilfunkmasten herumturnen und zwischen Turbinen durchkriechen.