Wenn heute in Düsseldorf die Medica zu Ende geht, ist klar, dass künstliche Intelligenz in der Medizin nicht mehr aufzuhalten ist. Praktisch alle Digitalisierungsfelder, die man aus der Industrie kennt, findet man auch im Gesundheitswesen wieder.
Beispiel: digitale Zwillinge. Solche Digital Twins wurden für die Produktionstechnik als vollständige digitale Abbilder von Maschinen, Anlagen oder Produkten entwickelt. Damit lassen sich zum Beispiel schon bei der Konstruktion Alternativen problemlos durchspielen, Tests durchführen und das ganze System auf Effizienz drillen. In Düsseldorf hat Dr. Kei Müller (Mitgründer des Münchner Start-ups Ebenbuild) dasselbe Konzept für die Lunge und ihre „personalisierte Beatmung“ vorgestellt. Mit 3D-Druck wird in der Medizin schon geraume Zeit gearbeitet, Exoskelette gibt es für Schwerarbeiter in Industrie und Logistik ebenso wie für Schlaganfallpatienten und andere Reha-Fälle. Roboter, Augmented Reality, 5G – alles, was IT-Schlagzeilen macht, hat mittlerweile Anwendungsfälle im Bereich Healthcare. Entsprechend hoch ist insgesamt der Fachkräftebedarf bei Berufen in der Healthcare-IT, entsprechend boomt auch der Markt für medizingerechte IT selbst, von der Datacenter-Infrastruktur bis zur Hautkrebs-Diagnose-App mit künstlicher Intelligenz.
KI bewirbt sich vor allem bei der Diagnostik. Faustregel: Auf praktisch alle bildgebenden Verfahren (Radiologie etc.), deren Bilder sich bislang ein Facharzt angesehen hat, kann man künstliche Intelligenz ansetzen und trainieren. Und anders als die meisten IT-Technologien, die in Industrie und Medizin nur ähnlich gelagerte Probleme lösen helfen, ist künstliche Intelligenz genuin an der Biologie des Menschen orientiert. Um nichts anderes geht es letztlich: darum, das menschliche Gehirn „nachzubauen“ oder wenigstens zu simulieren (Deep Learning). Freilich dauerte es nicht lange, bis jemand den Spieß umdrehte und das Schlagwort „Brain Hacking“ die Runde machte. Das ist einerseits zum Fürchten, andererseits hat zum Beispiel Ben Senior (eyeskills.org) unter dem Titel „Hacking how we see“ schon auf dem Chaos-Computer-Club-Kongress 2018 eine clevere Therapie für Amblyopie (Silberblick) vorgestellt.
Die Engführung von Industrie-4.0-Technologie und Gesundheitswesen beginnt mittlerweile bereits vor der Lösungsentwicklung. Heute ist fast jeder Maschinenbauer schon mit Hygienevorschriften und den übrigen Anforderungen von Medizin und Gesundheitswesen vertraut. Die Logik in groben Zügen: Wenn ich meine Linearantriebe schon im Mikrometerbereich für Reinräume auslegen muss, warum nicht gleich für Medizingeräte? So kommt es, dass zum Beispiel beim KI-Innovationswettbewerb des BMWi ein Projekt den Sieg davontrug, das Partner aus Industrie und Medizin bzw. Gesundheit vereint: FabOS ist, der Name sagt es, eine Art Betriebssystem für Fabriken, und zwar eines, das mit künstlicher Intelligenz arbeitet. Mit im Boot sind neben Playern wie Siemens und Bosch auch empaia (KI-Diagnostik), KIKS („Künstliche Intelligenz für Klinische Studien“) und KI-SIGS („KI-Space für Intelligente GesundheitsSysteme“).