Auf dem Digital-Gipfel in Dortmund hatten Anja Karliczek (Bildung und Forschung) und Peter Altmaier (Wirtschaft und Energie) ihr bundesministerielles „Baby“ angekündigt. GAIA-X soll es heißen. Verwandte und Cloud-Bekannte wünschen viel Glück – ihre eigenen Kinder sind älter und verdienen schon selbst Geld.
Speziell die Top-Cloud-Provider üben sich auf Besuch in höflicher Zurückhaltung. Tencent bietet Unterstützung an, „falls wir die Chance dazu bekommen“ (Handelsblatt), hält das globale Cloud-Wettrennen aber für längst gelaufen und „largement passée“ (Les Echos). Die Microsoft-Deutschland-Chefin Sabine Bendiek sieht GAIA-X eher „nicht erfolgreich“, zeigt sich aber „offen für Kooperationen“ – doch gerade so war der Vorstoß Richtung digitale Souveränität ja nicht gedacht, im Gegenteil. Die öffentliche Verwaltung denkt momentan laut darüber nach, wie sie sich aus der Abhängigkeit von Microsoft befreien könnte. Dabei weiß Microsoft sehr gut, dass sich eine „sichere Cloud“ rechnen muss. Zur Erinnerung: Die Redmonder waren mit der Microsoft-Cloud, treuhänderisch in Frankfurt und Magdeburg von der Telekom betrieben, wenig erfolgreich und haben ihre Services wieder in eigene Rechenzentren zurückgezogen. Einzig die sorglose Jugend will von europäischer Cloud-Familiengründung nichts wissen, dort fallen Bemerkungen wie „Kopfgeburt“ (Gründerszene) und „peinlicher Mega-Flop“ (Crisp Research).
Eine ganz andere Art Kommentar haben die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland u.a.), Würth und EnBW abgegeben. Der Heilbronner Stimme zufolge bauen die Unternehmen derzeit eine eigene europaweite Cloud-Infrastruktur auf, die „voraussichtlich Ende 2020“ starten soll. Bereits im Einsatz ist außerdem Oncite, eine Edge-Infrastrukturlösung für die Verarbeitung und (KI-)Analyse von Daten in Echtzeit direkt am Produktionsstandort, bei der sich Rittal, German Edge Cloud und IoTOS (seit 2019 Loh-Gruppe) mit dem Anwendungspartner Bosch Connected Industrie zusammengetan haben. Als Vorteile führt Oncite neben der Echtzeitfähigkeit die vollständige Kontrolle über die Daten ins Feld. Sie werden zeit- und ortsnah erfasst, gespeichert, verarbeitet und ausgewertet. Die offene Plattform ist stark skalierbar und wird mit vorkonfigurierten IIoT-Applikationen und Full Service angeboten, Schnittstellen ermöglichen die Vernetzung mit der IT-Infrastruktur der Kunden. Ein zentraler Zielmarkt sind die Automobilzulieferer, da immer mehr Autobauer die Datenerfassung über die gesamte Lieferkette anstreben.
Interessant ist in diesen beiden Fällen, dass die Industrie ihren Bedarf selbst erfüllt. Den Grund dafür nennt Axel Oppermann in seiner GAIA-X-Analyse, die auch auf Oncite eingeht: Gerade bei Edge-Lösungen komme es nicht nur auf Hardware und KI-Tools an, sondern eben auf industrielles Know-how. „Und hier haben halt gegenwärtig noch die an Oncite beteiligten Unternehmen gegenüber den Hyperscalern einen deutlichen Vorteil.“