Die KfW hat sich angesehen, was Mittelständler angesichts des Fachkräftemangels tun können, um familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen und auf diese Weise Mitarbeiter zu halten und zu gewinnen. Genauer gesagt: Mitarbeiterinnen.
Denn es sind vor allem Frauen, die zwischen die Räder von Familie und Beruf geraten, sobald es um Kindererziehung und Betreuungszeiten geht oder um die Pflege von Angehörigen. Auch sonst sind die Befunde, die Dr. Jennifer Abel-Koch für die Nr. 278 von „Fokus Volkswirtschaft“ zusammengestellt hat, zunächst erwartbar: Größere Mittelständler engagieren sich mehr bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, kleinere Betriebe haben seltener einen Betriebskindergarten; wissensintensive Branchen erhoffen sich mehr Möglichkeiten von der Digitalisierung, während Erwerbszweige, die persönliche Anwesenheit erfordern, darin kaum Chancen sehen. Da der Wettbewerb bei Verkäuferinnen und im Dienstleistungssektor längst nicht so heftig ist wie um Ingenieurinnen, sieht Dr. Abel-Koch hier eher die Politik in der Pflicht:
„In vielen Fällen sind flexible Arbeitszeiten und -orte auch aufgrund betrieblicher Gegebenheiten kaum umsetzbar. Umso mehr ist hier die Unterstützung durch die Politik gefragt – nicht nur durch den weiteren Ausbau bedarfsgerechter und bezahlbarer Betreuungsmöglichkeiten für Klein- und Grundschulkinder.“
Den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nennt das Papier in diesem Zusammenhang als Positivbeispiel, ebenso das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf und Initiativen wie Erfolgsfaktor Familie. Namentlich die Kinderbetreuung könnte allerdings noch verbessert werden:
„So ist beispielsweise eine Vollzeittätigkeit im Einzelhandel mit den Öffnungszeiten von Kindertagesstätten noch immer kaum vereinbar, genauso wenig wie Schicht- und Wochenenddienste von Ärztinnen oder Krankenpflegern.“
Aber auch aufseiten der Unternehmen gäbe es noch einiges zu tun, vor allem in Branchen, in denen mittelständische Firmen mit Azubi-Programmen, Employer-Branding-Strategien, New Work und anderen Mitteln verzweifelt um Fachkräfte werben. Genutzt werden derzeit vor allem „Arbeitszeitkonten, Gleitzeitmodelle, Vertrauensarbeitszeit und andere Formen flexibler Arbeitszeit“, aber auch die Mitsprache bei Urlaubs- oder Dienstplänen. Freilich sind Optionen wie Home Office von der Branche abhängig und daher vor allem im wissensintensiven Dienstleistungssektor gängig. Im Durchschnitt können Beschäftigte durch die Arbeit zu Hause 4,4 Stunden pro Woche gewinnen.
Allerdings ermuntert nur ein verschwindend geringer Teil der Unternehmen auch die Väter zu solchen flexibleren Formen. Kommentar: „Hier könnten viele Mittelständler deutlich mehr tun.“ Mehr tun könnten sie auch bei der gezielten Förderung weiblicher Mitarbeiter oder durch die Kombination von Weiterbildung und Elternzeit, was den Wiedereinstieg deutlich erleichtern und beschleunigen würde. Auch die Unterstützung Beschäftigter mit pflegebedürftigen Angehörigen ist eine bislang praktisch ungenutzte Option.
Damit spiegelt sich in der Unternehmenspraxis der Befund des Weltwirtschaftsforums: Deutschland steht in Sachen Gleichstellung allgemein gut da – aber nicht in der Wirtschaft. Laut Global Gender Gap Report 2020 liegen wir weltweit auf Platz 10 (Indexwert 0,787 – die Zahl zwischen 0 und 1 sagt aus, wie weit die Gleichstellungslücke gefüllt ist). Besser stehen, erwartungsgemäß, die skandinavischen Länder da (Norwegen 0,842, Finnland, 0,832, Schweden 0,820 sowie auf Platz 1 Island mit 0,877), aber auch Ruanda (0,791) und Nicaragua (0,804). Die aufgerückte Position ist in erster Linie dem Anteil von Frauen in der Politik zu verdanken, während es bei der Gleichstellung in der Wirtschaft noch finster aussieht: Im Subindex „Economic Participation and Opportunity“ steht Deutschland nur an 48. Stelle (Index 0,723), vor allem gibt es weiterhin hohe Einkommensunterschiede, auf Managerebene (0,584) und in den Aufsichtsräten (0,319) sind Frauen kaum vertreten.
Dabei zeigt das KfW-Papier klar einen positiven Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg und Familienfreundlichkeit. Offen bleibt dabei nur, ob wachstumsorientierte Unternehmen eher auf Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzen oder ob umgekehrt Firmen mit einer familienfreundlichen Unternehmenskultur erfolgreicher sind. Die Wahrheit dürfte, wie so oft, in der Mitte liegen. Das Kurzpapier „Mittelständler setzen im Wettbewerb um Fachkräfte auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen“ gibt es bei der KfW komplett frei als PDF zum Herunterladen.