Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn hat seine erste Einschätzung der Corona-Krisenfolgen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) weiter ausgearbeitet und ein ausführliches Dossier zusammengestellt.
Das Corona-Dossier umfasst neben der ersten Pressemitteilung vom 25. März und den zugehörigen Tabellen ein ausführliches IfM-Hintergrundpapier („Vorläufige Einschätzungen des IfM Bonn zu den Auswirkungen der Coronaviruspandemie auf den Mittelstand“). IfM-Präsidentin Prof. Dr. Friederike Welter, Hans-Jürgen Wolter und Peter Kranzusch arbeiten dabei wieder mit zwei Szenarien, die sich nach der Dauer der Krise richten: Stillstand von zwei bis zweieinhalb Monaten und Stillstand von mehr als sechs Monaten. In letzterem Fall wird es eng:
„Eine länger anhaltende Einkommenslosigkeit könnte bei der Hälfte der 2,3 Millionen Solo-Selbstständigen und der Hälfte der 1,8 Millionen Selbstständigen mit Beschäftigten eintreten.“
In jedem Fall müsse man bereits jetzt auch mittel- bis längerfristige Unterstützung ins Auge fassen. Dabei sei es sinnvoll, die Hilfen nach Branche zu gestalten, da die Wirtschaftszweige in z.T. sehr unterschiedlicher Weise betroffen sind. Die relevanten Stellhebel sind derzeit Fixkosten, Eigenkapitalausstattung – hierzu hatte sich zuletzt auch die KfW geäußert –, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und das Schutzschirmverfahren sowie Kredithilfen und Kurzarbeit; Letztere sollte dem IfM zufolge unter Umständen „wochenweise genehmigt werden, statt monatsweise.“ Was die Grundsicherung für Selbstständige betrifft, rechnet das IfM mit einer „Anzahl von bis 300.000 selbstständig tätigen Personen, die einen Anspruch auf ALG II haben könnten“. Die Kernfrage ist hier die Vermögensprüfung bzw. deren Lockerung:
„Eine Leistungsgewährung an das vorrangige Aufzehren des Vermögens zu binden, erscheint aus IfM-Sicht nicht angemessen.“
Interessant ist im Dossier auch das (englischsprachige) BBC-Video-Interview mit Prof. Welter, in dem sie u.a. der Fragestellerin erklären muss, dass in Deutschland Solo-Selbstständige bzw. Einzelunternehmer keineswegs unbedingt ein erzwungenes Prekariat darstellen: „We also talk about people, who enjoy being self-employed, who are not forced into that“ („Wir sprechen auch über Leute, denen es gefällt, selbstständig zu sein, denen das nicht aufgezwungen ist“). Prof. Welters zentrale Botschaft an Großbritannien, das derzeit noch nach Hilfslösungen für kleine und Kleinstunternehmen sucht:
„Instant money. And think of those, who are not small and medium-sized businesses, but really the ones working on their own or with one or two employees.“
Außerdem im Dossier ist die IfM-Resilienzstudie „Krisen von KMU. Herausforderungen, Verlauf und Resilienz frauen- und migrantengeführter Unternehmen“, die im Zusammenhang mit der europaweiten Untersuchung „Building resilience in under-represented entrepreneurs“ entstanden ist. Ein wesentliches Ergebnis dieser Arbeiten war, dass gerade Kleinunternehmen von systematischen Beratungsangeboten nicht gut erreicht werden; sie orientieren sich lieber an schnellen, niederschwelligen und regionalen Best-Practice-Lösungen nach dem Motto „Wie hat es bei anderen geklappt?“. Diesen Befund bekräftigt auch das aktuelle Hintergrundpapier noch einmal:
„Kleinstunternehmen haben […] wenig Erfahrung mit der Beantragung von Unterstützungsmaßnahmen bzw. Krediten und scheuen grundsätzlich eine Fremdkapitalaufnahme. Die Inanspruchnahme dürfte in Dienstleistungsbranchen, in denen die Umsätze nicht nachgeholt werden können, verhalten ausfallen. Große Bedeutung wird daher der Soforthilfe für Solo-Selbstständige und Kleinstbetriebe zukommen.“
Von daher sind für diese Zielgruppe neben den finanziellen Soforthilfen gerade jetzt Vernetzungsangebote sehr sinnvoll, wie sie die IHK unter dem Stichwort „Unternehmen helfen Unternehmen“ aufsetzen, etwa in Berlin, Braunschweig und Ingolstadt. Nützlich sind auch die Tipps und Digitallösungen der Kompetenzzentren Mittelstand 4.0.