Aus aktuellen Anlässen – neben Fällen wie Hertz, Weihbrecht Lasertechnik, der Brauerei Pfungstädter, teNeues oder dem FC Kaiserslautern ist das vor allem der jüngste Creditreform-Insolvenzbericht – hat das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn die Chancen einer eigenverwalteten Insolvenz als Sanierungsweg zusammengefasst.
Gegenstand der IfM-Hintergrundinformation ist die durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) seit 2012 ermöglichte Planinsolvenz in Eigenverwaltung bzw. das Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO (Insolvenzordnung). Das Papier dient vor allem der Erstorientierung für Firmen, die eine Unternehmensfortführung bzw. -sanierung unter der bestehenden Geschäftsleitung anstreben. Das IfM charakterisiert kurz die wesentlichen Merkmale des Verfahrens und erklärt dann, für wen sich eine derartige Sanierung eignet. Vor allem muss Aussicht auf Fortführung des Unternehmens bestehen. Günstige Merkmale sind z.B. „Lizenzverträge, Börsenzulassungen, Niederlassungsrechte oder auch Mitgliedschaften in Produktionsnetzwerken“, aber auch „Berufsausübungsrechte, Titel oder Mitgliedschaften in Kammern (z.B. Zulassungen bei Gesundheits- oder Handwerksberufen)“.
Diese Punkte finden derzeit verstärkt Beachtung. Eine der Schlüsselfragen könnte demnächst lauten: Welche Rolle spielt das Unternehmen in der übergreifenden Lieferkette? Der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüßt daher die entsprechende Sichtweise des Bundeskartellamts, das eine Restrukturierung mit Blick auf die gesamte Supply Chain und die Einbeziehung von „Stakeholder-Gruppen, die innerhalb ihrer Gruppe über spezifische Beiträge zur Sanierung verhandeln können“ ermöglicht. Hilfreich dürfte auch der geplante Schutzschirm für ausbildende Betriebe sein.
K.o.-Kriterium sind dabei allerdings immer „ausreichend juristische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse“. Ein weiterer Haken ist die Beteiligung der Schuldner und Gläubiger. Darunter fallen keineswegs nur privatwirtschaftliche Partner, sondern auch der Fiskus, der ein Wort mitzureden hat:
„In der Vergangenheit erwiesen sich bei der Abstimmung über den Plan die Finanzämter oft als kritische Gläubiger.“
Zur Einschätzung, wie realistisch eine eigenverwaltete Planinsolvenz ist, trägt der statistische Teil auf Basis der Informationen des Statistisches Bundesamts bis 2019 bei. (Diese Daten hat das IfM auch für den Mittelstand aufbereitet.) Insgesamt werden nur 2 % aller Insolvenzverfahren in einer Eigenverwaltung geführt, doch diese Zahl ergibt sich aus der Einbeziehung der zahlreichen Kleinstunternehmen, Einzelunternehmen und Freien Berufe, bei denen diese Form „weniger geeignet“ bzw. letztlich zu teuer ist. „Bereits ab einer Unternehmensgröße von über 100 Beschäftigten“, konstatiert das IfM Bonn, „wird rund jeder dritte Verfahrensantrag bei Gericht mit einem Antrag auf Eigenverwaltung verbunden.“
Aktuelle Zahlen zum Insolvenzgeschen im ersten Halbjahr 2020 hat zuletzt Creditreform vorgelegt. Aus der Analyse geht hervor, dass die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie wohl dafür verantwortlich sind, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 8,2 % zurückgegangen sind. Die Creditreform-Wirtschaftsforschung geht jedoch davon aus, dass das dicke Ende noch nachkommt und im Herbst eine „Insolvenzwelle“ ansteht. Besonders heftig könnte diese dann Länder wie Nordrhein-Westfalen treffen.
Die kompakte vierseitige Hintergrundinformation zum eigenverwalteten Insolvenzverfahren als Sanierungsweg von Peter Kranzusch gibt es beim IfM Bonn als PDF zum Download. Ausführlicher behandeln das Thema Peter Kranzusch und Dr. Annette Icks in ihrer ESUG-Analyse „Die Nutzung insolvenzrechtlicher Sanierungswege durch kleine und mittlere Unternehmen – das Beispiel der Eigenverwaltung“ (Daten und Fakten; 19), das ebenfalls beim IfM kostenfrei zum Download bereitsteht.