Die Corona-Krise begann fast zeitgleich mit dem Start der Befragungen zum Zukunftspanel Mittelstand des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn. Jetzt hat das IfM eine erste – aufschlussreiche – Sonderauswertung vorgelegt.
Der Zeitpunkt hätte kaum besser gewählt sein können: Mitte Februar begann das IfM Bonn mit der Sammlung von Themenvorschlägen zum Zukunftspanel Mittelstand, das nach 2014 und 2017 in diesem Jahr zum dritten Mal durchgeführt wird. So kam es, dass die mehrstufige Online-Expertenbefragung zu einem großen Teil in die Corona-Hochphase fiel. Die Sonderauswertung, die das IfM Bonn jetzt als Chartbook „Herausforderungen des deutschen Mittelstands in der Corona-Pandemie“ publiziert hat, zeigt, dass einige Themen sehr unterschiedlich bewertet werden.
Beim Zukunftspanel Mittelstand sucht das IfM Bonn die Diskussion mit Experten aus drei verschiedenen Gruppen: der Wissenschaft, der Wirtschaft (Verbände, Kammern etc.) und der Wirtschaftspolitik. Einig sind sich die drei Gruppen darin, dass sie als drängendstes Problem die Liquiditätssicherung erkennen (84,8 %). Das gilt für alle drei Expertengruppen, zuerst für die Wirtschaft selbst (87,5 %), dann für die Politik (86,4 %) und immer noch deutlich auch für die Wissenschaft (80,4 %). An zweiter Stelle rangiert unter den Herausforderungen das Stichwort Business Continuity („Geschäftsbetrieb erhalten“) mit 72,7 %.
Erst auf Platz 3 folgt die Überarbeitung des Geschäftsmodells (68,1 %). Dieser Punkt ist insofern interessant, als gerade die Befragten aus der Wirtschaft selbst hier den Handlungsbedarf am geringsten einschätzen (67,5 %) und dieses Thema erst auf Platz 5/6 ihrer Rangliste einsortieren. Wie sich das aus der Realität abbildet, dürfte weitere Untersuchungen wert sein. Vorstellbar ist, dass ein Teil des Mittelstands schlicht keine Chance sieht, das Geschäftsmodell sinnvoll zu variieren, etwa die Hotellerie. Das KfW-Papier Fokus Volkswirtschaft (Nr. 291: „Mittelstand reagiert ideenreich auf Corona-Krise“) hat außerdem aufgezeigt, dass selbst kleine Unternehmen z.B. recht flott ihren Vertrieb neu aufgestellt haben, dies aber selbst oft nicht als Veränderung des Geschäftsmodells wahrnehmen:
„Lediglich 7 % der Unternehmen bewerten die im Zuge der Corona-Krise vorgenommenen Anpassungen zumindest in Teilen als Umstellung ihres Geschäftsmodells.“
Bei der IfM-Umfrage haben für die Wirtschaft jedenfalls andere Handlungsfelder Priorität; hierzu gehören mittelstandsfreundliche Kreditmodalitäten (70 %) und vor allem Planungssicherheit (77,5 %), die in dieser Gruppe der zweitwichtigste Punkt ist. Zu lesen ist Letzteres wohl als Appell an die Politik. Blickt man aber zum Vergleich auf diese Expertengruppe, so zeigt sich, dass man dort lieber andere Prioritäten wählt – „Planungssicherheit schaffen“ findet man bei den Wirtschaftspolitikern erst auf Rang 16, die Wissenschaft ordnet dieses Thema dazwischen auf Rang 9 ein. In keinem anderen Punkt gehen die Einschätzungen der drei Expertengruppen so weit auseinander.
Was die Wirtschaftspolitik beschäftigt, ist vielmehr die Digitalisierung – ein weiteres Stichwort, bei dem die Antworten auffallende Differenzen aufweisen. Bei der Wirtschaftspolitik firmiert das Thema prominent (61,4 %), während Wissenschaft (41,2 %) und Wirtschaft (57,5 %) es weniger hoch hängen:
„Offensichtlich gehen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen davon aus, dass die Unternehmen bereits so gut mit neuen Technologien ausgestattet sind, dass ihre Beschäftigten problemlos digital arbeiten können.“
Hier dürfte ein Fall von „tua res agitur“ vorliegen: Politikvertreter haben durch die Coronakrise in der öffentlichen Verwaltung binnen weniger Wochen mehr Digitalisierung erlebt als in den Jahren zuvor und erhoffen sich u.a. vom neuen Bundes-CIO Dr. Markus Richter, dass bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes endlich der Knoten platzt. Die IfM-Autorinnen der Sonderauswertung – Dr. Siegrun Brink, Britta Levering und Dr. Annette Icks – sehen das offenbar ähnlich:
„Nachholbedarf besteht […] nach wie vor im öffentlichen Raum, sei es in Schulen oder in Bezug auf eine digitale Verwaltung.“
Allerdings reitet auch die Wissenschaft am liebsten das eigene Steckenpferd: Anders als Politik und Wirtschaft legt die Forschung größeren Wert auf Krisenmanagement und präventive Resilienzstrategien – also auf die Aufgaben, bei denen sie selbst als Ratgeber punkten kann.